Dieser Beitrag ist Teil meiner Beschäftigung mit der SW Craftsmanship-Bewegung im Rahmen des CLC-Projektes #MeinZiel23. In diesem Blogpost versuche ich die Idee und die Ursprünge der Software Craftsmanship-Bewegung zu verstehen. Wie schon bei MeinZiel22 habe ich mir auch hier vorgenommen, in erster Linie Podcasts zur eigenen Information zu nutzen.
Podcast: Software Craft – Was ist das?
Von Craftsmanship zu Craft – beide Begriffe meinen das Gleiche. Da haben offenbar einige die Silbe “man” als zu männliche Bezeichnung interpretiert. Und das englische Wort “Craft” bedeutet ja auch Handwerk, ist also ebenso stimmig. Natürlich sind alle Geschlechter eingeladen, sich der Bewegung anzuschließen. Geht es doch um Softwareentwicklung und eine bestimmte innere Haltung zu seinem Tun und zu den anderen Software-Handwerker*innen.
Ich habe den Podcast “Macht der Craft” von Alexandre Soler Sanandres und Matthias Alt gefunden. In der Episode vom 14. November 2022 interviewen sie Andy Fischer, der hier anschaulich und ausführlich beschreibt, was ihn zu der Bewegung gebracht hat, wie die entstanden ist und was es bedeutet Software Crafter zu sein.
Hochachtung übrigens: Die Podcast-Episode ist dort vollständig transkribiert!
Hier die wichtigsten Aussagen von Andy Fischer kurz zusammengefasst:
Andy Fischer gründet die DATEV Software Craftsmanship Community
35 Jahre lang entwickelt er schon Software mit steigendem Bewusstein für gute Programmierung. Deshalb interessierte ihn die Clean-Code Idee. Die wollte er seinen DATEV Software-Entwickler-Kollegen auch vermitteln. Daraus entstand ein erstes Community-Treffen mit 32 DATEV-Entwicklern am 1.3.2013. Er bekam den Tipp, die Community doch “Software Craftsmanship Community” zu nennen. Da wusste er noch nichts von der schon bestehenden Bewegung “Software Craftsmanship”. Diese interne Community war damals keine offizielle DATEV-Community, musste also irgendwie informell bleiben. Einladungen erfolgten deshalb nur telefonisch persönlich, nie schriftlich.
Erst danach besuchte Andy Fischer erstmalig die SoCraTes, den Haupt-Event für Software Craftsman. Dort erlebte er eine für ihn noch ungewöhnliche Offenheit, Hilfsbereitschaft und Wertschätzung, die ihn sofort ansprach. Ihm wurde klar, dass diese innere Haltung neben dem Qualitätsanspruch das wesentliche Merkmal der Software Craftsmanship Bewegung ist. Es geht um gemeinsames Lernen, man hilft sich gegenseitig!
Softwareentwicklung als Handwerk – Entwicklung der Idee
1992 schrieb Jack W. Reeves in dem Artikel “What is Software Design?”, das SW-Entwicklung aus Ingenieurskunst und Handwerk besteht. Und 1999 erschien ein Buch “The Pragmatic Programmer – From Journeyman to Master” von Andrew Hunt und David Thomas. Der Untertitel “Vom Gesellen zum Meister” war der zweite Hinweis auf eine handwerkliche Tätigkeit bei der Softwareentwicklung.
2008 schlug “Uncle Bob”, also Robert C. Martin, einen fünften Wert zum agilen Manifest vor: “Craftsmanship over Crap”. Daraufhin trafen sich einige Softwaerentwickler in den USA um im März 2009 das “Software Craftsmanship Manifest” zu veröffentlichen.
Das Buch von Sandro Mancuso “The Software Craftsman” hat ab 2014 sicher nochmal zur Verbreitung der Idee “Softwareentwicklung ist Handwerk” beigetragen. In der Zeit entwickelten sich dann auch Communities und Veranstaltungen dazu überall auf der Welt. In Deutschland enstanden 2011 die “Softwerkskammern”.
Wie viele Mitglieder hat die Software Craftsmanship Community?
Das kann niemand sagen. Es gibt keine Mitgliedsausweise, keine Aufnahme-Rituale, und keine Prüfungen. Zertifikate würden auch dem Gedanken, der dahinter steht widersprechen, sagt Andy Fischer. Gute Software könnte man noch beurteilen, aber die passende innere Haltung kann man schwerlich prüfen.
Eine Suche auf LinkedIn nach der Bezeichnung “Software Craftsman” ergab im Februar 2023 folgende Ergebnisse:
- 1900 weltweit
- 106 in Deutschland
- 5 in der Metropolregion Nürnberg
Daraus kann man nur schließen, dass es nur wenige als ihre offizielle Job-Bezeichnung verwenden. Der Bewegung zugehörig fühlen sich ganz sicher sehr viel mehr.
Vorbild: Handwerker im Mittelalter
Im Mittelalter gab es für Handwerker keine andere Möglichkeit Wissen auszutauschen, als im persönlichen Kontakt. Also hat man die Gesellen auf Wanderschaft geschickt. Dafür gab es wohl mehrere Varianten. Eine Variante:
- 2 Jahre und 1 Tag Wanderschaft
- außerhalb des Heimatortes
- jeweils 6 Wochen bei einem anderen Meister
- nie zweimal beim gleichen Meister
- ohne Bezahlung, nur gegen Kost und Logis
Das erfordert die Bereitschaft von Anderen zu lernen – und die Bereitschaft sein Wissen Anderen weiterzugeben: “Dein Wissen gehört nicht Dir, sondern Dein erworbenes Wissen teilst Du jedem, der es wissen möchte.” (Originalton Andy Fischer).
Im Podcast berichtet Andy Fischer u.a. noch über den Vergleich des agilen Manifestes als Prozess-Modell im Gegensatz zum Software Craftsman Manifest: “Dem Crafting ist es geal in welchem Prozess es umgesetzt wird.”
Mein Fazit
Ich entdecke Ähnlichkeiten zwischen der SW Craftsmanship Bewegung und der Corporate Learning Community. Beides Netzwerke, die das mit- und voneinander Lernen zum Ziel haben. Die Werte, die Andy Fischer dort erlebt hat – Offenheit, Hilfsbereitschaft, Wertschätzung – sind auch unsere. Softwerkskammern entsprechen unseren regionalen Corporate Learning Communities. Ehrenamtliches Engagement trägt auch bei uns die gesamte Community.
Können wir den Job von uns Learning Professionals auch als Handwerk bezeichnen? Was sind dann unsere Qualitäts-Kriterien für gute Arbeit? Und wie können wir das Üben (Code Retreats, Code Dojos, …) bei uns umsetzen?
Fragen, die mich auf den weiteren Stationen meiner Lernreise zu Software Craftsmanship begleiten werden.