Ich dürfte als Externer dabei sein, bei diesem internen Geburtstags-Fest am 1. März 2023. Über 1300 Datev-Softwareentwickler gehören zur “SCC”. Das sind etwa 16% aller Datev-Mitarbeiter, die sich aus eigenem Antrieb immer wieder treffen, um mit- und voneinander zu lernen – um sich gemeinsam weiterzuentwickeln!
Ein großes Fest im modernen Datev Campus – und dort im internen CoWorkingSpace – an der Fürther Straße in Nürnberg, war die 10 Jahresfeier der SCC. Die Gründung der SCC geht auf ein verunglücktes Seminar zurück. Andy Fischer war von der Clean Code Idee so überzeugt, dass er ein Clean Code Training für seine Entwickler-Kollegen organisierte. Er wollte diese Botschaften an seine Kollegen herantragen:
- Lerne Dein Handwerk
- Du bist nicht allein
- Du bist verantwortlich
Irgendwie ging das Seminar so richtig schief, und die Idee drohte damit unterzugehen. Davon erfuhr Martin Heider, der Andy Fischer riet, zu dem Thema eine interne Community zu gründen, und die “Software Craftsmanship Community” zu nennen. Am 1. März 2013 trafen sich etwa 30 Datev Software Entwickler, die sich zunächst vornahmen, “Code Retreats” an Samstagen zu organisieren.
Damit war die SCC als inoffizielle Community in der DATEV gegründet. Es gab keinen Auftrag dafür. Die Einladungen wurden sicherheitshalber nur direkt per Telefon ausgesprochen. Schriftliche Einaldungen per Mail schienen zu gefährlich. Aber die direkten Vorgesetzten deckten die Aktivitäten damals. Sie sorgten dann auch für die Räume und das Essen beim ersten Samstags-Code Retreat.
Code Retreats sind eigentlich Übungstreffen
Da werden Programmieraufgaben gestellt, die man meist zu zweit in 45 Minuten lösen soll. Dann bespricht man seine Erfahrungen und wirft den Code weg – um jetzt die gleiche Aufgabe erneut anzugehen. Und das mehrmals hintereinander.
Alle Teilnehmer kommen freiwillig. Der Entwicklungsleiter hat sich bei den meisten Code Retreats dazu gesetzt. Er berichtete, welch überraschend gute Atmosphäre er bei diesen selbstorganisierten Treffen erlebt hat.
2014 gab es den Code Retreat 2 und 3. Und zur externen “SoKraTes 2014”, fuhr man schon gemeinsam mit 5 bis 6 Datev-Teilnehmern.
Bei den Softwareentwicklern sprach sichs rum, dass es lohnend ist, auch dabei zu sein. Zu den Code Retreats kamen dann auch kurze Vorträge von Kollegen und manchmal auch von Externen. Aber immer von der SCC selber organisiert.
2015 hatten sie eine besondere Idee, sie lobten den “Scode Skunk Award” aus: Man sollte seinen schlechtesten Code zeigen und erläutern, warum der schlecht ist. Alle Anwesenden hatten dann den Job, im Code Teile zu entdecken die gut gelungen sind.
2016 gab es die Software Craft Conference in Budapest. Inzwischen war die SCC in der Organisation so verankert, dass man der SCC dafür ein Budget für Reisen und Konferenz-Gebühr für mehrere Mitarbeiter gab. Das durfte die SCC selbst verteilen!
2016 liefen die CodeRetreats 8 bis 11. Und insgesamt 256 Softwareentwickler waren inzwischen bei der selbstorganisierten SCC. Die SCC war jetzt in der Organisation so bekannt, dass sie eine Mentorin wählten, die sie in der übrigen Organisation vertritt. Die SCC beteilgte sich in dem Jahr auch beim “Global Day of Code Retreat” – mit der wohl weltweit stärksten Mannschaft.
Die SCC wächst weiter: 2017 gab es über 100 Teilnehmer beim Code Retreat. 2018 waren 650 in der SCC. 2021 waren es 1024, oder wie Andy Fischer es ausdrückt: 210.
Die SCC heute
2023 sind über 1300 Datev Softwarentwickler in der SCC. Insgesamt 128 Code Retreats wurden bisher schon realisiert!
Derzeit sind Andy Fischer und Jürgen Latteyer die treibenden Community-Manager. Es gibt ein SCC-OrgaTeam, dass immer mehr organisatorische Aufgaben übernimmt. Beiträge und Themenvorschläge kommen fast alle aus der Community.
Trotzdem braucht es Leitfiguren, wie Andy Fischer und Jürgen Latteyer, die insbesondere die gute Atmosphäre in der Community prägen, irgendwie ausstrahlen, und andere ermutigen sich ebenso zu verhalten, und ihr Wissen zu teilen. Da gibt es den schönen Spruch von Andy Fischer: “Dein Wissen gehört nicht Dir, sondern Dein erworbenes Wissen teilst Du jedem, der es wissen möchte.”
Fazit
Mich fasziniert die SCC: Da kommen 1300 Softwareentwickler aus eigenem Antrieb in und auch außerhalb der Arbeitszeit zusammen, um sich und ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln! Die lernen von ihren Kollegen viel mehr als sie in separierten Trainings aufnehmen könnten (Aussage von einigen Fest-Teilnehmern). Und: Sie üben gemeinsam! Das Üben haben wir aus fast allen unserer Weiterbildungen immer ausgeklammert. Jürgen Latteyer zitierte auch hier wieder Fefe: “Gebt den Leuten Zeit zum Üben, sonst üben sie im echten Projekt – und das wird meist sch…!”
Die SCC sorgt auch ganz nebenbei für eine intensive Vernetzung der Softwareentwickler aus vielen Abteilungen. In Coding Dojos und Code Retreats arbeitet man ja immer wieder mit anderen Kollegen zusammen. Besser als beim gemeinsamen Arbeiten kann man sich nicht kennenlernen.
Deshalb: Ein ganz herzlicher Glückwunsch zum 10jährigen der SCC! Und natürlich den beiden Leitfiguren Andreas Fischer und Jürgen Latteyer! Ihr habt es geschafft, mit der SCC eine Organisation in der Organisation Datev zu etablieren, die ausschließlich der Weiterentwicklung von 1300 Mitarbeitenden dient! Ihr vergebt in der SCC keine Zertifikate, bestätigt keine Teilnahme, und trotzdem zieht ihr massenhaft Datev-Softwareentwickler an, die gemeinsam freiwillig an ihrer persönlichen Weiterentwicklung arbeiten.
Davon können wir übrigen Learning Professionals eigentlich nur träumen. Irgendwie macht ihr uns mit der SCC vor, wie das „Handwerk“ der Personalentwicklung wieder aussehen könnte.
(P.S.: Fotos von dem Fest waren in dem Gebäude untersagt. Deshalb die Beschränkung nur auf den Text.)
