Medienverlage und Weiterbildungsorganisationen

Ausgelöst durch die Möglichkeiten der sozialen Medien stehen Zeitungen und Buchverlage heute schon unter starkem Veränderungsdruck. Das massenhafte Verteilen von aufbereiteter Information auf einzelnen Kanälen scheint keine große Zukunft mehr zu haben. Neue Geschäftsmodelle werden gesucht und ausprobiert.

Haben Weiterbildungsorganisationen heute nicht eine ganz ähnliche Ausrichtung wie Verlage? Das klingt ungewohnt, aber ist ein Training i.d.R. nicht auch die Verteilung von aufbereiteter Information, die man nur über diesen einen Kanal (das Training) erhalten kann? Ähnlich wie Verlage, achten Weiterbildungsorganisationen dann auch auf den Kopierschutz ihrer Unterlagen, die aus diesem Grund oft auch lieber auf Papier als elektronisch verteilt werden. Schließlich ist der aufbereitete Content, der Kern von dem man bisher hautsächlich lebte.

Aus dieser Sicht ist es für Weiterbildungsorganisationen höchst interessant, wie Verlage damit umgehen, dass gut aufbereiteter Content auch von Anderen im Netz verteilt wird. Aufhorchen lässt da die New York Times, die gerade den ehemaligen BBC-Chef Mark Thompson zum Chef der New York Times ernannt hat. Die Begrüßungsrede für ihn analysiert Dirk von Gehlen, Leiter “Social Media/Innovation” bei der Süddeutschen Zeitung in seinem Blog, und stellt 4 Grundaussagen zur Zukunft der New York Times heraus, die man gut auch auf Trainingsorganisationen übersetzen kann:

  1. Zeitungen sind Medienhäuser
    Medienhäuser sind glaubwürdige Quellen, die auf vielen Kanälen Informationen verteilen. „Relevant ist die Absendermarke, nicht der Verbreitungsweg“
  2. Medienhäuser sind Sender
    also in erster Linie Informationsverteiler – auf verschiedenen Kanälen. Von Gehlen spricht von einem „Verbreitungsmanager“, der festlegt, was wann auf welchem Kanal in welcher Form angeboten wird (als Text, als Video, als Expertenbericht, ..)
  3. Medienhäuser sind Empfänger
    Das ist neu, das bedeutet Zuhören was Andere und die eigenen Kunden denken, sagen und veröffentlichen. Das ist die Basis für den dauerhaften Austausch mit den eigenen Lesern.
  4. Die Zukunft liegt im Sozialen
    Nicht mehr Publikation, sondern Kommunikation. „Dafür ist ein kultureller Wandel nötig, der tiefgreifender ist als die Ausrichtungsänderung einer Zeitung hin zu einem Anbieter, der auch Videos sendet. Dieser Wandel betrifft die Rolle des Journalisten, die Art, wie er seine Autorität herleitet und damit die Grundlage für die Entscheidung eines jeden Lesers/Zuschauers, ihm oder ihr Aufmerksamkeit oder sogar Geld zukommen zu lassen.“

Übersetzt auf Trainingsorganisationen bedeutet das:

  1. Weiterbildungsorganisationen sind glaubwürdige Content-Bereitsteller
    Geprüfte Inhalte werden Lernern angeboten. Die Auswahl verschiedener Aufbereitungen bedient unterschiedliche Lernanforderungen und Lerntypen.
    Die Inhalte müssen nicht selbst erstellt sein, nur gut ausgewählt.
  2. Weiterbildungsorganisationen sind Content-Verteiler
    Sie bedienen die für die Zielgruppe relevanten Verteilungs-Kanäle vom Intranet / Internet bis zum Seminar. Sie sorgen auf mehreren Kanälen immer für Wahlmöglichkeiten für Lerner.
  3. Weiterbildungsorganisationen sind selbst Lernende und Suchende
    Lernern („Teilnehmern“) wird auf gleicher Augenhöhe begegnet. Lerner haben oft ganz viel eigene Erfahrung, die sie zu Lehrenden für Andere machen kann. Jeder ist mal Lehrender mal Lernender – auch die Mitarbeiter der Weiterbildungsorganisation. Durch Zuhören entstehen ständig neue Angebote für Lerner.
  4. Kommunikation statt Vermittlung und Lehre
    Weiterbildungsorganisationen fördern Kommunikationen in relevanten Zielgruppen, z.B.  unter Novizen und Experten, mit Kunden und Unternehmen, mit Mitarbeitern und Wissenschaftlern, … Kommunikationen führen zu Erkenntnissen – und damit zum Lernen. Weiterbildungsorganisationen sind virtuose Könner im Bilden und Stimulieren von Fach-Communities. Die Wahrnehmung dieser Leistung entscheidet hauptsächlich über das Markenbild der Weiterbildungsorganisation.

Ergänzend füge ich noch folgenden Punkt hinzu:

Weiterbildungsorganisationen bieten Navigations-Hilfen für Lerner
Auf welchem Weg waren andere erfolgreich? Welche Wege zum Ziel gibt es? Welche Ziele setzt man sich sinnvoll? Wer ist auch gerade unterwegs? Wann ist das Ziel erreicht?

Obwohl Weiterbildungsorganisationen heute meist mit traditionellen Trainings gut ausgelastet sind, macht es Sinn, sich jetzt auf neue „Lerner Services“ einzustellen. Ich bin ganz sicher, dass – wie bei den Verlagen – auch im gesamten Weiterbildungsbereich sich die Erwartungen unserer Kunden stark ändern werden. Selbst aufbereiteter Content wird auch bei uns nicht mehr zum Kerngeschäft taugen.

2 Gedanken zu „Medienverlage und Weiterbildungsorganisationen“

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