Wir müssen Experten im Netzwerk-Lernen sein!

Das Lernen in Netzwerken durch Soziale Medien ein ansteigender Trend ist, hatte ich schon mal beschrieben. Das kann man den Lernenden ganz allein überlassen – oder auch anregen, erleichtern und fördern. Wer aber Lernen in Netzwerken anregen und unterstützen will, muss selbst Experte im Netzwerk-Lernen sein! Wie kommen wir Learning Professionals dahin?

Bild: Geralt Pixabay

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Lernbegleiter als Service-Anbieter

Es geht um uns Corporate Learning Professionals. Unsere übliche Rolle ist die Aufbereitung von Inhalten und die Gestaltung von Lernprozessen für andere. Da sind wir fit. Beides ist für die Unterstützung von selbstgesteuertem Lernen in Netzwerken nicht mal hilfreich. Loslassen, nicht steuern, und nicht beurteilen, aber beobachten sind die Regeln für Lernbegleiter. In Netzwerken nehmen die Lernenden die Steuerung selbst in die Hand. Einen Lernbegleiter wählen sie nur, wenn ihnen das hilfreich erscheint. Sie schaffen es in der Regel auch ohne Unterstützung! Als Lernbegleiter ist man ein Service-Anbieter, der von den Lernenden gewählt – und auch abgewählt werden kann. Lernende sind die Auftraggeber und stehen damit mindestens auf gleicher Augenhöhe mit dem Dienstleister – oder sogar darüber.

Bild: peggy_marco Pixabay

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Eine andere Innere Haltung

benötigen Lernbegleiter im Vergleich zu „Lehrenden“. Das Sagen haben die Lernenden, die steuern den Prozess – ihren eigenen Entwicklungsweg. Und sie kommen auf ganz unterschiedlichen Routen zum Ziel. Im Innersten überzeugt zu sein, die schaffen das – auch ohne mich, das fällt schwer, wenn man bisher gewohnt war, den Weg und die Schritte vorzugeben. Diese „zutrauende“ Haltung muss auch noch echt sein. Lernende spüren, wenn ihr „Lern-Dienstleister“ nicht wirklich loslassen kann, nicht wirklich überzeugt ist. Diese innere Haltung ist der zentrale Schlüssel für diese neuen Dienstleistungen für Lernende. Innere Haltung ist auch nicht in Seminaren zu erlernen, man kann sie nicht vermitteln. Daran muss man immer selber arbeiten.

Dialogische Kommunikation üben

Zuhören, Beobachten, Hinterfragen, Beitragen, selbst neugierig dazulernen, sich im Fachgebiet auskennen – das sind notwendige Fähigkeiten für Lern-Begleiter. Das alles ist auch notwendig für unsere eigene Weiterentwicklung – und damit eine ideale Gelegenheit, sich mit dieser anderen Art des Lernens intensiv vertraut zu machen:

  • Täglich 30 Minuten in sozialen Medien in Communities fürs eigene Fachgebiet verbringen
  • Die relevanten Blogs oder Micro Blogs (Twitter) abonniert haben und regelmäßig lesen
  • Kommentare oder eigene Beiträge mindestens einmal pro Woche posten

Persönliches Lern-Netzwerk (PLN) aufbauen, pflegen

Sich orientieren, inspirieren lassen von ungewöhnlichen Ideen, im Austausch mit anderen neue Ideen entwickeln, und für den schnellen Zugriff auf Informationen – dafür braucht man ein Netzwerk. Nicht nur Kollegen und Experten, auch relevante Wissensquellen (Bücher, Videos, Dokumente, Wikis, …) gehören in dieses eigene Lern-Netzwerk. Das muss sich jeder selbst aufbauen – und dann pflegen. Das Internet erweitert die Vernetzungsmöglichkeiten sehr, die Mühe der Gestaltung des eigenen Netzwerkes nimmt es aber nicht ab. Das Einbeziehen anderer Experten ins eigene Netzwerk wirkt wie ein sozialer Filter. Nur das, was die von mir ausgesuchten Experten posten, wird mich erreichen. Mit der Auswahl der Experten wähle ich sozusagen die Redakteure für die für mich relevanten Informationen aus. Das ist bei Fachzeitschriften genauso, nur kann ich im Netzwerk viel mehr Redakteure haben. Damit wird auch deutlich, dass dieses Netzwerk Pflege braucht. Je nach eigenem Entwicklungsstand oder aktueller persönlicher Herausforderung muss ich meinen sozialen Filter durch die Auswahl der Experten in meinem Netzwerk erweitern oder ändern.

 

Öffentlich äußern

Netzwerke funktionieren nur durch Geben und Nehmen. Nur-Mitlesen ist immer der Anfang, Ganz automatisch folgt dann das Bedürfnis, sich auch mitzuteilen, seine eigene Sicht öffentlich zu äußern. Damit wird die nächste Lern-Stufe gezündet. Schon das Wissen, meinen Beitrag kann jeder auf der Welt lesen, lässt andere Texte entstehen, als wenn ich mir nur selbst Notizen mache. Mehr noch, ich überlege länger, ob das auch stimmig ist. Ich lese noch einmal nach, ob ich das zitierte Argument auch richtig in Erinnerung habe. Das bedeutet, ich beschäftige mich länger mit dem Thema. Oder anders ausgedrückt: Ich lerne intensiver.

Bild: Bykst Pixabay

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Wenn schon das öffentliche Schreiben mehr Lernen auslöst, dann wird das durch mögliche Kommentare noch einmal gesteigert. Kritisches oder zustimmendes Feedback ist der Booster fürs persönliche Lernen. Aber das wissen wir ja auch aus klassischen Lernsettings. Und irgendwie regen die Kommentare dann meist zu weiteren eigenen Beiträgen an, was wiederum ganz unmerklich das eigene Lernen befördert.

Reputation aufbauen

Die Folge von aktivem Netzwerken ist auf jeden Fall die eigene Reputation. Man gewinnt Profil im Netzwerk. Andere kennen meine Expertise, kennen meine Schwerpunkte und meine Standpunkte. Etliche werden mich damit in ihr Netzwerk einbinden, was auch mir wieder neue Kontakte und Ideen verschafft.

Bild: CLKER Pixabay

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Wenn Lernen in Netzwerken immer wichtiger wird, dann werden gut vernetzte Menschen als Mitarbeiter gesucht. „Welches Netzwerk bringen Sie mit?“ wird eine der entscheidenden Fragen bei künftigen Bewerbungsgesprächen sein. Das signalisiert einerseits die Lernbereitschaft der Person, und andererseits bringen gut vernetzte Mitarbeiter auch mehr neue Ideen ins Unternehmen. Wenn wir Learning Professionals also selbst erfahren haben, wie Reputation aufzubauen ist, dann können wir auch andere unterstützen, Netzwerke aufzubauen, darin zu lernen und an der eigenen Reputation zu arbeiten.

Learning Professionals als Vorbilder

Lernen in Organisationen ist so vielfältig. Wir Learning Professionals sind nur bekannt für die 10% formalen Lernens. Die 90% informellen Lernens in Organisationen werden derzeit kräftig angetrieben. Soziale Intranets, Communities of Practice, Wikis, interne BarCamps sind nur wenige Beispiele für die Vielfalt der informellen Lern-Initiativen in Unternehmen. Enterprise 2.0 und die Lernende Organisation sind Bewegungen, die fast alle Unternehmen heute für sich reklamieren. In der Regel sind wir Learning Professionals dabei gar nicht beteiligt. Vielleicht, weil man uns nicht für kompetent für das selbstgesteuerte Lernen hält? Den Eindruck sollten wir ändern. Das geht aber nur, wenn wir selbst als Learning-Experten in Netzwerken bekannt werden. Uns fehlt offenbar die sichtbare Reputation als generelle Learning-Experten (informell und formal). Es genügt heute nicht mehr, was in der Job-Beschreibung steht. Der Eindruck der anderen Player in der Organisation ist entscheidend. Und außerdem: Sollten wir nicht diejenigen sein, die neue Trends für die Entwicklung von Mitarbeitern in Organisationen einführen?

Konnten wir bisher Kraft Amtes Weiterbildungen anbieten, so ändert sich das in immer mehr zu Netzwerken werdenden Organisationen. In Netzwerken gelten keine hierarchisch gesetzten Funktionen. Hier geht es um authentische Expertise, die man an den Beiträgen der Person erkennt. Authentisch bedeutet hier, wir leben selbst vor, was wir anderen raten. Es bleibt uns also gar nichts anderes übrig, als uns zu öffentlichen Selbstlernenden in den relevanten Netzwerken zu machen. Nur wenn man sich an uns orientieren will, wird man uns für die lernende Organisation buchen. Noch besser wäre, wir gehen vormachend voran, und zeigen wie Entwicklung von Mitarbeitern heute weitgehend informell und selbstgesteuert abläuft.

 

P.S.: Passend zum Thema hat Jane Hart gerade einen ähnlichen Beitrag gepostet, den ich als Ergänzungslektüre sehr empfehle: 20 ways to prepare yourself for modern Workplace Learning.

6 Gedanken zu „Wir müssen Experten im Netzwerk-Lernen sein!“

  1. Und wer trifft sich an Barcamps, Konferenzen, Meetings und Weiterbildungskursen zum digitalen Lernen? Die FachdidaktikerInnen von PHs? Irgend welche LehrerInnen? Nein. Es sind die Freaks, die Selbstlerner, die Unermüdlichen.

    Warum findet das digitale Lernen noch immer nicht statt? Weil das digitale Lernen zuerst einmal an den PHs nicht stattfindet. Diese unterhalten zwar sündhaft teure Digital Learning Center und schreiben Konzepte und Bücher, doch die Fachdidaktik-DozentInnen lässt das kalt, bekommen das gar nicht mit, findens vermutlich noch ganz nett, nehmens aber kaum ernst.

    So ist das – auch 2016 immer noch.

  2. Und wer trifft sich an Barcamps, Konferenzen, Meetings und Weiterbildungskursen zum digitalen Lernen? Die FachdidaktikerInnen von PHs? Irgend welche LehrerInnen? Nein. Es sind die Freaks, die Selbstlerner, die Unermüdlichen.

    Warum findet das digitale Lernen noch immer nicht statt? Weil das digitale Lernen zuerst einmal an den PHs nicht stattfindet. Diese unterhalten zwar sündhaft teure Digital Learning Center und schreiben Konzepte und Bücher, doch die Fachdidaktik-DozentInnen lässt das kalt, bekommen das gar nicht mit, findens vermutlich noch ganz nett, nehmens aber kaum ernst.

    So ist das – auch 2016 immer noch.

  3. Das bringt mich wieder auf die allseits beliebte Frage aus dem barcamp zurück: wie können wir sicherstellen, dass Kursleiter/innen diesen Weg gehen und die Kompetenzen in ihre Arbeit einbringen? Dann ist diese Frage ja fast falsch gestellt. Zuerst einmal müssen wir als Institution vorleben, dass wir es mit dem vernetzten Lernen ernst meinen, durch unser Tun und durch die Unterstützung der Kursleiter/innen auf diesem Weg. Und dann muss die Frage an neue Kursleiter/innen sein: wie lernst du?

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