In einem Gespräch mit einer Trainingsorganisation eines Großkonzerns ging es um neue Trainingsformen. Das Erfolgsmodell für gute Trainingsmaßnahmen besteht dort aus der Mischung von E-Learning-Modulen, Präsenz-Seminaren, realen Projektphasen im Arbeitsalltag und Online-Coachings. Auf meine Frage, ob man denn irgendwie sagen könne, wieviel Lernen wohl in den organisierten Lernformen, und wieviel dabei in den Projektphasen am Arbeitsplatz stattfinde, kam sofort die klare Aussage „In jedem Falle überwiegend in den Projektphasen am Arbeitsplatz“.
Die Antwort lässt aufmerken, kommt sie doch von einer Führungskraft aus eben dieser globalen Trainingsorganisation, die ja davon lebt, Wissen zu vermitteln. Nun kann man die Menge von Lernvorgängen bei Teilnehmern ja schlecht messen, dennoch erschien die spontane Einschätzung des Trainings-Profis sehr sicher.
Um es auf den Punkt zu bringen: In diesem Trainings-Konzept wird ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass Kompetenzentwicklung natürlich am Arbeitsplatz beim Bewältigen der alltäglichen Aufgaben stattfindet – und nicht im Seminar! Die begleitenden üblichen Trainings-Module und das Online-Coaching dienen der Sensibilisierung und der Reflexion. Damit kommt dieses Trainingskonzept einer Arbeitsteilung mit der jeweiligen Führungskraft sehr nahe. Die Entwicklung von Mitarbeitern ist die vornehmste Führungsaufgabe, und könnte auch ohne Hilfe der Trainingsorganisation stattfinden. Ein so verzahntes Miteinander-Vorgehen entlastet aber die Führungskraft, und gibt zudem dem Unternehmen die Chance gleichartige Prozesse und Ausrichtungen zu verbreiten.
Im Kern bedeutet das aber für die Trainingsorganisation, zu akzeptieren, dass die Masse der Lernvorgänge am Arbeitsplatz – und nicht in Seminaren stattfindet. Sich darauf einzustellen, und hier weitere neue Formen der Unterstützung der individuellen Kompetenzentwicklung anzubieten, scheint mir die Herausforderung für viele Trainingsorganisationen zu sein. Führungskräfte antworteten auf meine Frage „Wieviel der Kompetenz, die sie für ihren derzeitigen Job brauchen, haben sie in Trainings erworben?“ durchwegs mit Angaben zwischen 2 und 5%. „Und wo den Rest?“ „Im Job natürlich.“ Den Test können Sie gern selbst machen. Offenbar gibt es ein meist unbewusstes Grundverständnis, dass Lernen zu 95 bis 98% ganz nebenbei – und individuell – im Job stattfindet.
Und um die 2 bis 5 % bewerben sich die Trainingsorganisationen bisher mit ihren Angeboten. Der große „Lern-Markt“, ist praktisch noch unbearbeitet. Deshalb erscheint mir das oben genannte Beispiel so interessant.
Aber vielleicht kennen Sie ja weitere Beispiel für lernunterstützende Dienstleistungen am Arbeitsplatz?
(Übrigens: Ausschließlich Führungskräfte aus Trainingsorganisationen nennen auf die gleiche Frage Werte zwischen 10 und 20%)
2 Gedanken zu „Lernen im Training oder am Arbeitsplatz?“