Gestern Abend endete das zweite CorporateLearningCamp. Aus meinem Erleben vieler BarCamps war das das bisher Beste, das betrifft die Stimmung der Teilnehmer ebenso wie die Qualität der von mir erlebten Sessions.
So viele sichtlich begeisterte Teilnehmer, die das auch immer wieder ausdrückten, so viele Sessions (46 an zwei Tagen), und so viele intensive Gespräche in den Pausen und beim Abendevent – das wünscht sich jeder Konferenz-Veranstalter. Interessant waren auch Aussagen von Teilnehmenden, die sich wunderten, dass sie nach einem halben Konferenztag meist schon völlig erschöpft sind, hier aber viel aktiver mitmachen und abends trotzdem ganz entspannt sind.
Was ist es eigentlich, was diesen Effekt bei BarCamps auslöst?
Bei Betrachtung der Veranstalterrolle fällt auf, dass BarCamp-Veranstalter weder einen Einfluss auf die Gäste haben (jeder darf kommen), noch einen Einfluss auf die Themen, die in den Sessions behandelt werden. Der Gestaltungsspielraum beschränkt sich ausschließlich auf den Rahmen der Veranstaltung. Dazu gehört
- Auswahl und Herrichtung der Räume,
- Getränke und Verpflegung,
- ein verbindliches Zeitraster für den Tagesablauf,
- die Einstimmung zu Beginn,
- gemeinsame Zwischen- und Abschluss-Treffen
- Vorbereitete Angebote für eine einfache gemeinsame Kommunikation im Netz
- Kümmerer für Teilnehmerwünsche (von Registrierung über WLAN bis Taxiruf)
Wenn man sich die Liste anschaut, dann könnte man die fast auch auf eine private Feier übertragen. Auch dort ist es so, dass der Gastgeber nur den Rahmen für das Fest gestalten kann. Ob das Fest gelingt, hängt ausschließlich von den Gästen ab. Deshalb sehe ich die Veranstalter von BarCamps auch eher als Gastgeber, die dafür sorgen, dass alles gut ablaufen kann im gesetzten Rahmen, und dass es allen Gästen gut geht.
Rahmen und Gastgeber scheinen aber mehr zu beeinflussen, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Schließlich gilt der oben beschriebene Rahmen auch für klassische Konferenzen, dort noch ergänzt durch vom Gastgeber eingesetzte Referenten mit ausgewählten Themen. Ein, wie man meinen sollte, erleichternder zusätzlicher Service für die Gäste.
Vielleicht sollten wir Lern-Veranstaltungen – und ich sehe Konferenzen als solche – eher als Ermöglichungsräume zur Entfaltung von Potential sehen, und nicht in erster Linie als Wissens-Vermittlungs-Stationen. Das bedeutet ja nicht, dass Wissens-Vermittlung nicht stattfinden soll, das wendet aber den Blick des Gastgebers eher auf die Gäste, deren Potential und deren Interessen, an Stelle des sonst üblichen Blicks auf die wissenden Experten, deren Wissen man für verteilungswürdig hält.
Ein Ermöglichungsraum für Potential-Entfaltung muss Freiraum bieten, damit das geschehen kann. So gesehen bieten BarCamps diesen Leer-Raum, der erstaunlicherweise jedes Mal von den Teilnehmenden sofort mit eigenen Beiträgen gefüllt wird. Keine Anleitung ist dafür nötig. Wie man eine Session gestaltet, bekommen auch BarCamp-Neulinge ganz schnell raus. Wer BarCamp-Sessions beobachtet, stellt schnell fest, dass sich die klassischen Rollen Lehrender und Lernender ganz schnell vermischen. Das wechselt dynamisch unter den Session-Teilnehmern, so dass man manchmal gar nicht mehr weiß, wer eigentlich der Sessiongeber war. Wenn also der Ermöglichungsraum da ist – und der übrige Rahmen dies gestattet, möglicherweise auch anregt oder unterstützt, dann füllen Teilnehmende diesen Freiraum scheinbar ohne Mühe selbständig aus. Und das auch noch mit viel Spaß und Begeisterung.
Lernen die dabei auch?
Aus Sicht der Teilnehmenden ist das ganz klar: „Ich habe noch nie so viel gelernt, wie bei diesem BarCamp“ ist eine häufige Aussage. Nur was jeder Einzelne gelernt hat bleibt dem Betrachter von außen verborgen. Autonome Lerner sind ja eigentlich der Traum für jeden Pädagogen. Autonome Lerner sind bei BarCamps auch immer wieder wechselnd autonome Lehrende. Diese Mischung – mal Gebender mal Nehmender zu sein – ohne Festlegung auf eine definierte Zuschreibung, ist vermutlich einer der Erfolgsfaktoren für diese ganz andere – vielleicht sehr natürliche – Art der aktiven eigenen Weiterentwicklung (um den Begriff Lernen zu vermeiden).
Noch einmal zu den Rahmenbedingungen, die solch mächtige selbstorganisierte Lernprozesse ermöglichen: Die Basis dafür sind gute Beziehungen zwischen den Teilnehmenden. Der BarCamp-Rahmen muss also in erster Linie ein gutes Umgangs-Klima unterstützen. „Gleiche Augenhöhe“ und „jede Perspektive ist interessant“ sind Stichworte für diese Grundhaltung. Die kann ein Gastgeber schon beeinflussen, selbst vorleben und im Extremfall auch daran erinnern. Ich stelle mir dafür immer so eine unsichtbare Hülle um alle Teilnehmenden vor, in der für die zwei Tage diese Regeln gelten. Und jeder Teilnehmende soll merken, dass er darin gut aufgehoben ist. Aber das ist nur eine Vorstellung für das was beim BarCamp-Klima so schwer erklärbar ist.
Zum notwendigen BarCamp-Rahmen gehört auch die strenge zeitliche Struktur für die Sessions. Wer das Raster kennt, kommt einerseits schneller auf den Punkt, und andererseits ist verlässlich Schluss bevor die nächste gewählte Session beginnt. Aber das ist ja bei klassischen Konferenzen auch so.
Fazit:
Wenn Ermöglichung im Vordergrund steht, ist weniger Organisation mehr. Der Blick auf gute Beziehungen ist dann wichtiger als auf gute Inhalte. Vielleicht ist das der Schlüssel zum Verständnis von BarCamps als begeisternde Lernumgebungen.
Hallo Hr. Pape
Bin ganz Ihrer Meinung was die Qualität des CLC12 anbetrifft. Als mittlerweile erfahrener Besucher von Barcamps habe ich noch keins erlebt das man so gut online mitverfolgen konnte – via Titanpads und Twitter. Gebloggt habe ich über diesen Aspekt übrigens unter: http://wp.me/pdWed-SM
Reine Wissensvermittlung (Training) werden wir weiterhin brauchen. Ich schließe mich aus eigener Erfahrung allerdings völlig Ihrer Aussage an, dass das Format Barcamps dazu geeignet ist zusätzlich „Ermöglichungsräume zur Entfaltung von Potential“ zu bieten > etwas, das ich als IT-Consultant ebenfalls versuche im Rahmen eines IT-gestützten Informationsmanagements ebenfalls abzubilden (Stichwort: „Collaboration“). Viele Grüße
Danke Herr Höfer für den netten Kommentar und die lobende Darstellung des CLC12 in Ihrem Blog..Es freut mich, dass Sie das CorporateLearningCamp online mitverfolgen konnten, und dies auch getan haben.
Beste Grüße
Karlheinz Pape