Die 10. Woche des OpenCourse „Zukunft des Lernens“ gilt dem Thema “Qualität beim lebenslangen Lernen“.
Zunächst mir fällt auf, dass in der OpenCourse-Agenda „Qualität“ nur im Zusammenhang mit Lernen und nicht mit Lehren zum Thema gemacht wird. Zudem befällt mich ein gewisses Unbehagen bei der Vorstellung Qualität beim Lernen zu bestimmen.
Eine einfache aber aus meiner Sicht treffende Definition für Qualität lautet: Qualität ist die Übereinstimmung zwischen Erwartung und Erfüllung. Was sind beim Lernen also die Erwartungen – und wie lässt sich die Erfüllung messen?
Mit Lernen bezeichnen wir einen individuellen Prozess, der sicher bei jeder Person anders verläuft, dessen tatsächlichen Ablauf aber niemand kennt – nicht einmal der Lerner selbst. Was wir erkennen, sind immer nur Ergebnisse – auch Zwischenergebnisse – von Lernvorgängen. Und selbst bei den Ergebnissen sind nicht alle sichtbar – oder wie sollte man z.B. eine erarbeitete innere Haltung erkennen.
Wenn dieser Prozess, den wir Lernen nennen, gar nicht sichtbar und nicht beschreibbar ist, wie sollten wir den dann beurteilen? Teilweise können wir Ergebnisse dieses Prozesses beurteilen, aber die Ergebnisse sagen uns nichts über den vorausgehenden individuellen Entwicklungs-Prozess der jeweiligen Person.
Sehen wir uns diesen Lernprozess mal bei kleinen Kindern an, die eigentlich perfekte Meister im selbständigen Lernen sind. Alles ist neu, und muss erst gelernt werden. Allein das „auf den Beinen stehen“, das Laufen, das Sprechen – alles erfordert vermutlich sehr komplexe Lernprozesse, die schon ein Kleinkind ohne erkennbare Schwierigkeiten souverän und ganz unbemerkt, fast nebenbei bewältigt. Bis auf die wohlwollende Anerkennung können selbst Eltern ihrem Kind in diesen Phasen wenig Unterstützung beim Erlernen geben. Ein Kind schafft selbst den komplexen Spracherwerb mit richtig angewandter Grammatik schon im Kleinkindalter ganz von selbst und ohne didaktische Unterstützung. Voraussetzung in diesem Fall ist nur eine sprachlich anregende und das Kind einbeziehende Umgebung. Allein der Versuch, dem Kleinkind Sprache systematisch beibringen zu wollen mit Vokabeln und Grammatik, würde vermutlich dauerhafte Negativ-Wirkung auf die Kindesentwicklung haben.
Würde man Lerner fragen wann sie sich beim Lernen am wohlsten fühlen, werden sie sagen „Wenn ich es gar nicht bemerke, dass ich gerade lerne“. Dem ungesteuerten und vom Lerner auch unbemerkt ablaufenden Lernprozess würde vermutlich die höchste Erfüllungsstufe, also die höchste Qualität bescheinigt werden. Dabei würden vermutlich alle von außen gestalteten und immer anstrengenden Lern-Vorgänge die niedrigste Qualitätsstufe erhalten.
Lernen scheint ein so gut von allen Menschen beherrschter und automatisch ablaufender Prozess zu sein, um den wir uns möglicherweise gar keine Gedanken machen müssen. Vielleicht ist Lernen eine automatische Körperfunktion wie das Atmen oder das Verdauen. Beides trainieren wir im Normalfall ja auch nicht. Wohl aber achten wir auf Rahmenbedingungen unter denen Atmen und Verdauen gut funktionieren kann.
Mein gewagtes Fazit: Nicht auf den Prozess des Lernens schauen. Den können weder Lerner noch Lehrender steuern. Die Qualität des individuellen Lernprozesses ist dann auch nicht steuerbar.
Dafür sollten wir uns besser auf Rahmenbedingungen konzentrieren
- die Lernen anregen (geeignete Herausforderungen)
- die Lernen zulassen (Freiraum, Zeit, Wahl des Weges)
- die Lernen ggf. erleichtern (ausgewählte Informationsangebote, Netzwerke, Coach, Infrastruktur).
Entwicklungs-Rahmenbedingungen erhöhen nur die Wahrscheinlichkeit für leichtes Lernen. Qualität ist also auch hier nicht einfach zu beurteilen. Aber das ist ein anderes Thema.
Wichtig sind durchaus die Ziele: Bildung, nicht Erfolg um jeden Preis.
Gelernt hat zu Guttenberg prächtig, nur was?