Training als Teil des lebenslangen Lernens: Andere Fokussierung nötig

Über den Weiterbildungsblog von Jochen Robes bin ich auf einen Beitrag aufmerksam geworden, der sich eigentlich mit Technologien für lebenslanges Lernen beschäftigt.
Einige Autoren und Peter Baumgartner schreiben in der Einleitung „wenn Lernen als eine kontinuierliche Aufgabe in einem lebenslangen Prozess … unterstützt werden soll, müssen zentrale Prinzipien lebenslangen Lernens in das Zentrum der Überlegungen gestellt werden. Lernparadigmen, die die lernende Person in den Mittelpunkt stellen, …. sind somit als die wesentlichen Grundlagen … anzusehen.“ Und später: „Ein Paradigmenwechsel von lehrerInnenzentrierten hin zu lernerInnenzentrierten didaktischen Modellen wird mit dem System des lebenslangen Lernens verbunden“.

Das klingt plausibel, zumal zum lebenslangen Lernen ja immer auch der große Bereich des informellen Lernens gehört, der ja ohnehin vom Lerner ohne Anleitung in Eigenregie bewältigt wird. Wenn das doch in dem vermutlich größten Lernbereich von uns „Lernern“ ganz selbstverständlich in eigener Autonomie möglich ist, dann erhebt sich natürlich die Frage, warum das denn bei den sog. formalen Bildungsangeboten nicht auf die gleiche Weise gehen soll. Und ob es nicht generell viel klüger ist, eher diese Selbstlernfähigkeit durchgehend zu fördern, anstatt didaktische Konzepte anzubieten, die ja immer nur für einen vorgestellten Standard-Teilnehmer entwickelt wurden.

Auf die Universitäten bezogen meinen die Autoren „Die Verabschiedung von der Vorstellung, es mit einem normativen LehrerInnentypus mit einem standardisierten Set an Lernzielen, -orten, ressourcen, Alter oder Vorwissen zu tun zu haben …“ hat noch wenig mit der Realität zu tun. Ich meine, das gilt in gleichem Maße für alle formalen und nonformalen Bildungsinstitutionen – also auch für betriebliche Training Center.
Und gerade in betrieblichen Trainingskursen ist ja von einer besonders großen Spannweite von Vorwissen und Erfahrungen einer Teilnehmergruppe auszugehen. Die Wahrscheinlichkeit, die tatsächlichen Lernbedarfe der einzelnen Teilnehmer mit dem vorbereiteten Kurs zu treffen, sinkt mit dieser Spannweite. Und andererseits ist es doch immer der Lerner selber, der entscheidet, worauf er seine Aufmerksamkeit lenkt – was er für sich als wichtig erkennt, und was nicht.

Irgendwie haben wir uns daran gewöhnt, Trainingskurse als abgeschlossene Lehreinheiten anzubieten, die alles in sich bergen, was man zu dem Thema (aus Sicht des Veranstalters) braucht. So lässt sich die Dienstleistung natürlich effizient produzieren, und ein Leistungsversprechen kann auch klar umrissen abgegeben werden. Ehrlicherweise sollten wir aber nur sagen „im Kurs wird behandelt …“ und nicht „der Teilnehmer lernt …“. Letzteres Versprechen können wir gar nicht einlösen.

Die Autoren in dem o.g. Beitrag empfehlen „Technologische Systeme von heute sollten jedoch vielmehr angehalten sein, sich zu öffnen und Zugänge zu neuem Wissen in Form von Wegweisern nach außen zu schaffen.“ Technologische Systeme kann man aus meiner Sicht auch mit Lehr-Situationen ersetzen. „Zugänge zu Wissen zu schaffen“, klingt eher nach Unterstützung für „sich etwas erarbeiten“. D.h. dem Lernenden die Autonomie zugestehen, sich schon das für ihn Wichtige anzueignen. (Was er wohl ohnehin immer macht, auch wenn wir das nicht so sehen wollen.).

Ein zweiter Aspekt in dem Autorenbeitrag hat mich angesprochen: „Lernen … erfolgt situationsbezogen und kollaborativ …“. Das Lernen immer auch ein soziale Komponente, also immer mit dem Bezug auf Andere stattfindet, berücksichtigen wir eher intuitiv, nicht systematisch. Das kann einerseits der Bezug zum Trainer sein, aber andererseits auch der Kontakt mit anderen Lernern, Experten, oder Kollegen. Nun haben wir in Trainingskursen ja immer genügend andere Teilnehmer. Also das gemeinsame Erarbeiten, das gegenseitige Anzapfen des Expertenwissens anderer Teilnehmer für das eigene Problem – und die Öffnung zu äußeren Wissens-Quellen könnte eine ganz andere Art von Trainingskursen ergeben. Eine, die vielleicht deutlich mehr individuelle Lernbedarfe erfüllt, die möglicherweise den Teilnehmern mehr Spaß macht, und die die Rolle des Trainers neu definiert.

Als Anregung für Trainingsdienstleister ist der Ausblick interessant den die Autoren auf mögliche künftige Lern-Services geben: Sie unterscheiden dort Content-Services, Kompetenz-Services und Kontext-Services.
Hier noch einmal der Link zum Selberlesen (empfohlen).

Karlheinz Pape

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