Dieser Beitrag wurde am 7.11.2018 zuerst veröffentlicht auf colearn.de.
„Kompetenzentwicklung – von und für L&D Professionals“ ist das Thema des CL Sprints im November 2018. Die Unterstützung der Kompetenz-Entwicklung von Mitarbeitern ist ja unser eigentlicher Job. Da ist es nur logisch bei uns selbst anzufangen, gerade heute, wo es fast überall um weitere Kompetenzen für die „digitale Transformation“ geht. Dabei sollten wir auch gleich unser bisheriges Vorgehen kritisch hinterfragen: Vermitteln wir Wissen oder unterstützen wir Mitarbeiter bei der Entwicklung von Kompetenz? Und wie kommen wir dann selbst zu neuen Kompetenzen?
Ein kritischer Blick auf typische Lern-Events heute
Möglichst weit entfernt vom Arbeitsplatz laden wir Mitarbeiter ein, sich über eine gut vorbereitete Inhaltsabfolge neues Wissen im Takt der Trainervorgabe zu erarbeiten. Am Ende sind wir sicher: Die Teilnehmenden wissen jetzt wie es geht. Vielleicht prüfen wir noch den Lernerfolg. Damit ist unser Job aber auch erledigt.
Zu wissen, wie etwas geht, heißt aber noch lange nicht, es auch zu können. Die Klagen über den mangelnden Transfer an den Arbeitsplatz sind das deutliche Symptom dafür. Eigentlich ist die Erwartung der Auftraggeber an uns L&D-Professionals, die Entwicklung von Könnern! Kein Arbeitgeber braucht Mitarbeiter, die nur wissen wie es geht.
Hören wir da nicht zu früh auf? Wissen ist zwar eine Voraussetzung für richtiges Handeln, aber ganz offensichtlich nicht ausreichend dafür. Kompetenz ist Das-Richtig-Handeln-Können, auch in unvorhergesehenen Situationen. Dafür benötigt man immer eigene Handlungs-Erfahrung, möglichst in der Echt-Situation. Autofahren ist da ein gutes Beispiel: Die Prüfung erfolgt immer im echten Straßenverkehr, und setzt reale Fahrübungen voraus. Das Weiterbildungs-Zertifikat bekommen unsere Teilnehmer aber fast immer nach dem „Theorie-Teil“.
Wissen ist keine Kompetenz
Das ist der Titel eines interessanten Dialoges von Rolf Arnold und John Erpenbeck, in einem kleinen Büchlein. Werner Sauter hat beide Experten zu diesem Thema in einem Video-Interview im Rahmen unseres CL20 MOOC befragt. Das Video scheint mir eine sehr gute Einstimmung ins Nachdenken zur Entwicklung von Kompetenzen:
Video-Link: https://youtu.be/6OZqtEgJ87c
Kompetenz kann man sich immer nur selbst erarbeiten – durch eigenes Handeln. Ein „Vermitteln“ von Kompetenz ist vollkommen unmöglich. Vielleicht ist das der Grund, warum L&D da meist den Job nur bis zum „Wissen-Wie“ annimmt.
Kompetenzerwerb erfolgt selbstgesteuert
Wir reden immer mehr vom selbstgesteuerten Lernen in Organisationen. Wenn durch eigenes Handeln dabei auch gleich Kompetenz und nicht nur Wissen entsteht, ist das selbstgesteuerte Lernen für Mitarbeiter und Arbeitgeber auch die attraktivere Variante. Müsste unser L&D-Job dann nicht darin bestehen, die selbstgesteuerte Kompetenzentwicklung von Mitarbeitern zu unterstützen, zu erleichtern, auf Wunsch auch zu begleiten? Mit ganz anderen Dienstleistungen als wir bisher anbieten?
Selbstgesteuerter Kompetenzerwerb setzt das Annehmen einer Herausforderung voraus
Wenn ich eine für mich neue Herausforderung annehme, beginnt mein Lernen. Ich suche dann gezielt nach den Informationen, Beispielen oder Experten, die mir bei der Erledigung der Aufgabe helfen können. Menschen finden da ihre eigenen, oft sehr unterschiedlichen Wege, um zum Erfolg zu kommen.
Das Setzen von Herausforderungen, an denen Mitarbeiter wachsen können, ist eine Führungsaufgabe. In Zeiten starker Veränderungen gibt es keinen Mangel an solchen Herausforderungen. Die anstehenden Herausforderungen klar zu definieren und möglichst noch den Mitarbeitern „passend“ zu empfehlen, macht die gute Führungskraft, den guten Personalentwickler aus. Das Lernergebnis ist damit auch gut messbar: Die erfolgreiche Erledigung ist der Maßstab. Und da das Ergebnis nur durch das Handeln des Mitarbeiters entstanden ist, wurde damit auch gleich Kompetenz nachgewiesen!
Diese an der echten Aufgabe erworbenen Kompetenzen zu bestätigen, könnte auch eine neue Dienstleistung von L&D sein – und möglicherweise auch das Ausschreiben von Herausforderungen.
Herausforderungen gibt es auch in der Corporate Learning Community
Selber leben, was wir anderen empfehlen, ist notwendig für unsere Glaubwürdigkeit. In der Corporate Learning Community werden schon an vielen Stellen Herausforderungen angenommen, an denen Einzelne ganz sicher wachsen, und möglicherweise auch neue Kompetenzen ausprägen. Ein paar Beispiele:
- Die 11 regionalen Corporate Learning Communities haben mehr als 11 Organisatoren, die diese Aufgabe gesucht und angenommen haben
- Beim CLC18 haben 88 gewagt, eine Session anzubieten
- Beim CL20 MOOC und beim CL2025 haben Teams aus Unternehmen gewagt, eine MOOC-Woche zu gestalten
- Bei jedem CL-Sprint hat ein Team die Gestaltungs-Herausforderung angenommen
- Bei den 3 CL-Chats hat je ein Team die wohl für alle neue Aufgabe angenommen, einen Twitter-Chat zu gestalten
- ….
Etwas ausführlicher habe ich das mal fürs CLC17 und für den CL2025 beschrieben: https://colearn.de/lernevents-fuer-selbstgesteuerte-kompetenzentwicklung/.
Simon Dückert berichtete vom „Engelsystem“ der jährlichen Großveranstaltungen des Chaos Computer Clubs. Dort werden hunderte sog. „Engel“ gesucht, die als Helfer bestimmte Aufgaben übernehmen. Das Besondere daran: Wer Hilfe bei einer für ihn noch neuen Aufgabe benötigt, bekommt einen Experten oder andere Anleitungen, damit er erfolgreich werden kann. Dieser Rahmen scheint mir ein gutes Muster für Kompetenzentwicklung zu sein.
Diesen Rahmen können wir auch schaffen: In der Corporate Learning Community gibt es laufend Herausforderungen, mit denen man eigene Kompetenz entwickeln kann. Und wohl auch genügend Experten, die Tipps geben können, wenn man Hilfe braucht. Beide, die CLC-Herausforderungen und die Expertenliste wollen wir demnächst zum Ergänzen bereitstellen. Auch ein Versuch, den Rahmen fürs Kompetenz-Lernen mal ganz anders aufzuspannen.