Unter dem Titel “Audioguides erstellen” bot der Bayerische Volkshochschulverband (BVV) mit dem Bayerischen Rundfunk (BR) und der Stiftung Zuhören ein zweimal zweitägiges Seminar im Herbst 2018 beim BR in München und Nürnberg an. Ich wollte unbedingt dabei sein, auch weil ich mir von den BR-Hörfunk-Profis viele Tipps erhoffte. Am letzten Samstag endete der Kurs – und es hat sich wirklich gelohnt. Mir eröffnet das eine neue Dimension des Podcastens.
Eigentlich ging es um das Erstellen von „Hörpfaden“
Audioguides von Bürgern für Bürger: Bürger beschreiben ihren Ort, ihre Sicht auf ihr Umfeld und erstellen damit eine „klingende Landkarte“ zum Reinhören für Jedermann. Eine richtig gute Initiative, die diese 3 Organisationen ins Leben riefen und unterstützen: BR, BVV, Stiftung Zuhören. Von den Hörpfaden habe ich erst im Kurs erfahren, weil die Ausschreibung nur „Audioguides erstellen“ ankündigte.
BR-Journalistin als Kursleiterin
Von der reichen Hörfunk-Erfahrung der BR-Journalistin Elke Dillmann konnten wir viel profitieren. Die Führung durch Rundfunk-Studios – auch während einer Live-Sendung – machte schon beim ersten Kursteil den professionellen Anspruch deutlich. Das Professionalität nicht in erster Linie vom Aufnahme-Equipment abhängt, zeigten die vielen ZOOM H5-Aufnahmegeräte mit BR-Logo auf dem Pop-Schutz. Ja, die nutzen wir auch für Außenreportagen, sagte uns die Referentin.
Es geht ums Geschichten-Erzählen, um die spannende Aufbereitung mit der Storykurve, um die Text-Ebene, die Sprecher-Ebene und um die Sound-Ebene. Das alles will passend geplant und umgesetzt werden, um ein definiertes Ziel beim Ziel-Publikum zu erreichen. Puh, so aufwändig hatte ich mir das gar nicht vorgestellt. Aber wenn die Profis so arbeiten, dann wird es wohl wichtig sein.
Zu meinem Erstaunen hatten wir schon am Ende des zweiten Tages in kleinen Teams jeweils ein kurzes Hörspiel von wenigen Minuten fertiggestellt. Mit verschiedenen Sprechern, an verschiedenen Aufnahme-Orten, mit „Atmo“ also stimmigen Umgebungsgeräuschen, und mit passender Musik! Fertig zusammengeschnitten mit Audacity. (Dazu eine kurze Anleitung von Brigitte Hagedorn). Und die Beiträge konnten sich sogar sehen – oder besser hören – lassen.
Interviews auf der Straße beim zweiten Kurs-Teil
Nach einer Einstimmung zu Umfrage-, Reportage- und Interview-Techniken hieß es: Ein Thema suchen und mit diesen 3 Aspekten draußen berichten, Menschen befragen und interviewen. Diese Beiträge dann in einen Beitrag mit gewünschter Aussage zusammenbauen. Komplett fertig geschnitten am Ende des Kurses.
Alle drei Punkte, die Umfrage, die Reportage und das Interview, sind gar nicht so einfach. Schon das Ansprechen wildfremder Menschen mit dem Aufnahmegerät in der Hand ist eine Hürde. Dann antworten Menschen oft ganz anders als gedacht, und die eigene flüssige Reportage will auch geübt sein. Das alles war herausfordernd – aber eine sehr sinnvolle Übung.
Material war jetzt genug da. 3 Minuten sollten es aber nur werden – mit konkreter Aussage und auch noch spannend für die Zuhörer. Transkribiert alles Material, dass Ihr einbauen wollt, und erstellt ein Script für den gesamten Beitrag, war die Ansage.
Soviel gesprochenen Text verschriftlichen? So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Schon das Aussuchen der nutzbaren Audio-Beiträge war ja mühselig. Schließlich musste man sich merken, wer was wann gesagt hat, um die Auswahl treffen zu können. Und wenn man die noch einzusprechende Moderation genau darauf einstellen will, braucht man den genauen Wortlaut des darauffolgend gesprochenen Original-Tons. Das Verschriftlichen macht also wirklich Sinn! Auf Zetteln lassen sich damit auch die Ton-Bausteine beliebig verschieben und neu anordnen, um z.B. die Storykurve zu optimieren, die Aussage zu schärfen oder um die Zwischen-Moderation anzupassen.
Glücklicherweise lassen sich ja heute schon Audio-Sprach-Dateien automatisch in Text umwandeln. Noch habe ich keine Erfahrung damit, aber mit Amazon Transcribe oder Google Cloud Speech to text will ich mich demnächst beschäftigen.
Kursergebnis: Mini-Hörspiele
Schon am Ende des ersten Teils standen zwei in Teams entstandene Kurz-Hörspiele. In nur wenigen Stunden von der Ideensuche bis zur Produktion mit Geräuschen und Musik unter freier Lizenz. Das war überzeugend. Und beim zweiten Kursteil entstanden 3 aufwändigere Produktionen in kleinen Teams mit Original-Stimmen von zufällig ausgewählten Menschen in der Stadt. Alles schon gut anhörbar, trotz dem ernormen Zeitdruck. Der schien aber realistisch. Der Zeitdruck sorgte sicher für das 80%-Ergebnis, dass nach Pareto nur 20% des Aufwandes braucht. Um die 100% zu erreichen, muss man danach ja nochmal 80% des Aufwandes reinstecken.
Der Produktionsablauf ganz kurz zusammengefasst:
- Ganz am Anfang Beitrags-Ziel (schriftlich) formulieren und Zielgruppe bestimmen
- Ideen für die Story sammeln
- Mögliche Original-Aussagen / Original-Töne dazu planen
- Story grob planen
- Eigene Rolle als Beobachtender oder Teilnehmender definieren
- Original-Töne und -Aussagen aufnehmen (i.d.R. kommen dabei weitere Ideen für die Story)
- Atmo-Aufnahmen mit Umgebungsgeräuschen zum Drunterlegen machen
- Aufnahmen immer mit Kopfhörer machen (Mikrofone hören mehr und anderes als wir)
- Audio-Material sortieren und aussortieren
- Audio-Material verschriftlichen
- Story überarbeiten, verfeinern, zusammenstellen
- Zwischenmoderationstexte schreiben, einsprechen
- Material zusammenschneiden
- Ergebnis anhören, von anderen anhören lassen
- ggf. nacharbeiten
Meine Learnings:
- Die Produktion eines gebauten Beitrages erfordert ein grobes inhaltliches Ablauf-Konzept schon vor dem Start. Es ist aber zu erwarten, dass sich mit den aufgenommenen Aussagen weitere Aspekte ergeben, die die Story verändern werden. Deshalb wird die eigentliche Story erst nach dem Vorliegen der Aufnahmen entstehen. Die muss aber immer eine erkennbare Botschaft für die Hörer enthalten. Die Gesamtaussage muss dem Ersteller klar sein, am besten schriftlich formuliert.
- Verschriftlichen der Beiträge ist wirklich nötig, um die Aufnahmen in die richtige Reihenfolge zu bringen und um die Anmoderation passend zu gestalten. Man verliert sonst den Überblick.
- Aufnahme-Equipment ist gar nicht so wichtig, wenn man mit dem Kopfhörer mithören kann. Auch Smartphones reichen für Interviews aus, wenn man damit unkomprimierte Audio-Dateien erzeugen kann (z.B. .wav).
- Das Schneiden der Beiträge geht mit der kostenlosen Software Audacity, ebenso wie mit Ultraschall auf Reaper.
- Gebaute Beiträge sind deutlich aufwändiger in der Produktion als durchlaufende Interviews. Dafür sind sie für die Hörer kompakter, schneller auf den Punkt kommend. Und im besten Fall auch spannender zu hören.
Für mich hat sich dieser Kurs gelohnt. Das eigene Machen unter Anleitung einer professionellen Hörfunk-Journalistin macht Mut zu weiteren Produktionen. Danke dafür!
Verschriftlichen der Hörbeiträge? Ich kann deine Begründung nachvollziehen. Ist das nicht ein unglaublich grosser Aufwand?
Ja, den Aufwand treiben die Profis auch, und der ist auch notwendig. Wenn die automatische Verschriftlichung möglich ist, wird das auf einfache Weise sehr nützlich.
Danke für diesen Bericht. Das tönt interessant und ich will gelegentlich ebenfalls einen Versuch machen.