Volkshochschulen im Aufbruch: Wecke den Riesen auf

928 selbständige Volkshochschulen gibt es in Deutschland. Fast jeder verbindet mit Volkshochschulen klassischen Frontal-Unterricht, meist regelmäßig abends. Mal mehr oder weniger gut, die Kurs-Qualität hängt vom „Kursleiter“ ab. Der Unterricht findet in kahlen Klassenräumen statt. Am Ende sind die Stühle wieder auf die Tische zu stellen. So jedenfalls werden sich die meisten den VHS-Unterricht vorstellen oder noch selbst erleben.

header-web-neuJetzt überrascht ein öffentlicher „vhsMOOC“ mit 689 Teilnehmenden. Fast alle sind VHS-Mitarbeitende und Kursleitende. Öffentlich: Jeder kann mitlesen und jeder kann mitdiskutieren! Auf mehreren Plattformen wird gleichzeitig gepostet und kommentiert, auf Google+, auf Facebook, auf Twitter und sogar auf Youtube sind 48 Videos zum vhsMOOC entstanden. Ein unerwartetes Bild: Man reibt sich verwundert die Augen, mit welcher Selbstverständlichkeit sich immer wieder andere VHS-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im „VHS-Fernsehen“ auf Youtube über Weblernen, neue Lehr- und Lernformate, unterstützende Tools und die Entwicklung der Volkshochschulen, live im Internet aüßern. Diese Videos werden dann auch noch so wie sie sind als Konserve auf Youtube öffentlich bereitgestellt.

Wer veranstaltet eigentlich diesen vhsMOOC?

Das Impressum der vhsMOOC-Homepage weist Joachim Sucker als Haupt-Verantwortlichen aus. Joachim Sucker ist der Marketing-Chef der Hamburger VHS. Aber mit Marketing für die Hamburger kann man den vhsMOOC wohl nicht verbinden. Die weiteren offiziell genannten „MOOC-Macher“ sind Dr. Christoph Köck: Hessischer Volkshochschulverband, Dr. Martin Lindner: externer Experte für digitale Bildung, und Stefan Will: Volkshochschule Landkreis Fulda. Das sieht nicht nach offizieller Mission aus. Noch eigenartiger: Der MOOC hat offizielle Sponsoren und Unterstützer, darunter wenige vhs-Landesverbände, und größere und kleine Volkshochschulen. Der vhs MOOC eine Graswurzel-Bewegung, für die sich gleich fast 700 Personen offen registriert haben? Und das innerhalb von behördlichen Strukturen: Die Träger von VHS sind i.d.R. Gemeinden oder Landkreise.

Hochachtung, hier zeigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie notwendige Veränderungen in festgefügten Strukturen ganz unaufgeregt mit Sachverstand und Netzwerk-Bildung begonnen werden. Dazu braucht es keinen Auftrag, nur einen Initiator. Der vhs MOOC läuft jetzt in der achten Woche und kann schon die Ergebnisse von vier virtuell vernetzten Arbeitsgruppen und unzähligen Beiträgen auf den vielen Plattformen auswerten. Man stelle sich nur vor, wie lange solche Ergebnisse wohl gebraucht hätten, würde man die in Workshops mit üblicher Dienstweg-Einladung erarbeitet haben. Nun liegen interessante Ergebnisse vor, von Menschen zusammengetragen, die man offiziell vermutlich dafür kaum angesprochen hätte. Und die auch noch weitgehend außerhalb der Dienstzeit entstanden sind, weil sich Mitarbeitende und Kursleitende dafür freiwillig engagieren.

Selbstorganisation und Netzwerkbildung sind Schlüsselbegriffe für solch mächtige Bewegungen. Unsere Organisationen heute sind hierarchisch organisiert. Selbstorganisation ist darin nicht vorgesehen. Außerhalb, im Web 2.0, ist Vernetzung und Selbstorganisation schon ganz selbstverständlich. Und wie das Beispiel des vhsMOOC zeigt, lässt sich diese Erfahrung auch für die Entwicklung von Organisationen nutzen.

Welche Absichten steckten eigentlich dahinter?

Die Beschreibung des vhsMOOC ist ein wenig vage, aber eine gewisse Ergebnis-Offenheit braucht so ein nicht-hierarchischer Prozess wohl auch (Auszug aus der Homepage):

Unser Oberthema ist: „Weblernen mit der Volkshochschule“ aka (also known as) „Wecke den Riesen auf, denn wenn Volkshochschule wüsste, was sie weiß, und ihre vielseitigen individuellen Energien und Wissensschätze mit Unterstützung des Internets vergemeinschaften würde, dann wäre die Welt supertoll, alles wäre in Ordnung, man muss also nur wissen wie, und es dann auch gemeinsam angehen und machen“.

Es geht jedenfalls klar um die Entwicklung der VHS und nicht in erster Linie um das Lernen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist wieder eine angenehm überraschende, neue Ziel-Definition eines MOOC. Die rasante Ausbreitung der Massive Open Online Courses zielte bisher ausschließlich auf das Lernen, auf die Entwicklung der Teilnehmenden. Der vhsMOOC steht für die Entwicklung einer großen Organisation. Und das auch noch von einem Netzwerk initiiert und getragen.

Hier machen uns mutige und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus behördenähnlichen Strukturen vor, wie man aus eigenem Antrieb auch große Veränderungen anschiebt. Das wird nicht ohne Konflikte mit den Organisationen gehen. Andererseits kann auch keine Hierarchie diese Bewegung mehr ignorieren. Es wäre nur klug, den Impulsen der Experten im MOOC zu folgen. Jedenfalls ganz viel Erfolg auf dem weiteren Entwicklungsweg der Volkshochschulen. Wenn das so weitergeht, dann entsteht hier ein Muster-Beispiel für die Innovation unseres öffentlichen Bildungssystems. Das macht Mut.

3 Gedanken zu „Volkshochschulen im Aufbruch: Wecke den Riesen auf“

  1. Danke für die Blumen, ich reiche sie gerne an die weiblichen Gastgeberinnen des vhsMOOCs:
    Monika Schwidde (Leiterin der VHS in Kreis Hersfeld), Eva Klotmann (Marketing VHS Böblingen-Sindelfingen), Susanne Rank (Marketing VHS Verband Sachsen).
    Damit wären die Gastgeber komplett und wir bedanken uns bei Dir für die Blumen.

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