Lehren oder Lernen?

Community of international Training Practice vor einer Woche: Schwerpunktthema “Neue Lernmethoden, neue Wege Wissen zu vermitteln“. Je ein Beispiel aus der eigenen Trainingsorganisation war gefragt. Um es kurz u machen: Die jeweils gewählten Beispielen lassen 2 Ausrichtungs-Kategorien erkennen. Bei der größeren Zahl stand das Training und dessen Optimierung im Fokus, bei den anderen des Lernen und der Lerner. Was bei dem Treffen auch zu einigen (produktiven) Missverständnissen führte.

Lehren oder Lernen? Das Fokussieren auf das Lehren hat ja eine sehr lange Tradition. Jede Kursentwicklung, jedes didaktische Konzept. jede Trainervorbereitung und sogar die Kursunterlagen zielen auf gutes Lehren. Das lässt sich permanent optimieren und rationell produzieren – der klassische Auftrag eines jeden Verantwortlichen für Trainingsorganisationen.

Irgendwie kommt in diesem Produktionsbetrieb der Lerner nur als Konsument vor, für den man alles gut vorbereitet hat, so dass der sich ja gar nicht beschweren kann. Und tatsächlich sind die Teilnehmer mit dieser jahrelangen Praxis ja auch irgendwie zufrieden, die Kursbeurteilungen lassen das auch vermuten.

Und doch: So rundum zufrieden sind weder die Teilnehmer noch die Trainings-Investoren (die Chefs, die das Training und die Arbeitszeit dafür bezahlen müssen). Es herrscht wohl eher so eine Einstellung wie „Es geht wohl nicht anders, Trainings sind halt so“.

Um das mal ganz anders zu machen, sagt ein Trainings-Chef „Mir ist es völlig egal, wo der Einzelne sein Wissen hernimmt. Ich verfolge nicht, wer in welchem Seminar war. Die Mitarbeiter wissen selber am besten, was sie für Ihren Job brauchen, und wo sie es am leichtesten lernen. Die Quelle können ja auch die eigenen Kollegen sein“ Und damit dieses selbständige Lernen unterstützt wird, richtet er ein Lern-Portal ein, auf das jeder Mitarbeiter lesend und schreibend zugreifen kann. Auch kurze Video-Sequenzen können dort hochgeladen werden. Noch gibt es nicht einmal eine Redaktion für den so hochgeladenen Content, so viel Vertrauen hat er in das Qualitätsbewußtsein der Mitarbeiter. Und das scheint zu funktionieren, wie man schon nach wenigen Wochen sehen kann.

Was ist dort anders? Es ist der andere Fokus auf den Lerner, und nicht auf das Lehren. Lernen ist ja immer ein individueller aktiver Vorgang, der sich gerade im beruflichen Umfeld eigentlich nur schwer mit Trainings-Produkten von der Stange unterstützen lässt. Lerner unterstützt man am Besten durch günstige Rahmenbedingungen für ihre eigene Lern-Aktivität. Nichts anderes ist in dem Beispiel gezeigt.

Ich weiß auch, dass so ein Vorgehen nicht in gängige Geschäftsmodelle von Trainingsorganisationen passt. Dennoch scheint mir die Rückbesinnung auf den Lerner, auf unseren eigentlichen Kunden, eine sehr notwendige Ausrichtungsänderung zu sein. Sonst laufen die Kunden doch bald weg.

9 Gedanken zu „Lehren oder Lernen?“

  1. „Neue Lernmethoden, neue Wege Wissen zu vermitteln“. Was heißt hier neu ?
    Der Experte/die Expertin für sein/ihr Wissen (oder Unwissen) und für seine/ihre Fähigkeiten zu gezieltem (ungezieltem) und methodischem (unmethodischem) Vorgehen ist der/die Lern(willige) selbst. Ohne ausreichende intrinsische Motivation zum Weiterlernen geht ja bei Erwachsenen nicht viel. Der Lerner entscheidet was er lernt und was nicht. (Und vor allem in welchem Kontext er das angeeignete Wissen für sich mit welcher Perspektive er speichert).
    „Learning by doing“, „die Person in seiner Gruppe im Blick“, „ihm was zutrauen“ gibts spätestens seit 1907 (Baden-Powell) und funktioniert durchgehend seit über 100 Jahren. Dass sogar die Managertrainer solche Methodik in ihrem Portfolio haben erstaunt dann nicht.
    Ich denke, dass es gut ist, dass die Zielpersonen (die Lernenden) wieder mehr in den Blick kommen und damit die von den sogenannten, auch vielfach selbst ernannten, Experten ausgefeilten Methoden, in den Hintergrund gedrängt werden.
    Lernen ist ein Vorgang, der findet beim Lernenden statt. Experte ist der, der es schafft den Lernenden da zu unterstützen, wo er Unterstützungsbedarf hat.
    Also brauchen wir Unterstützer, also Personen die sehen können, wo bei den Lernenden Unterstützungbedarf ist und nicht immer feiner ausgeklügelte Vermittlungsmethodik von „Lehrmaterial“.
    Am besten wird dies im Bereich der Elternbildung deutlich. Da Eltern bis zur Grenze, wo da Kindeswohl gefährdet ist, autonom entscheiden können und dies auch tun hat „Lehren“ in diesem Bereich bisher kaum etwas bewirken können. Hier bewirken nur diejenigen was, die sehen können wo Unterstützungsbedarf ist und die erkennen können wie man bei Eltern intrinsische Motivation ausdehnt.
    Ich finde den Wandel vom Lehren weg zum lernen dann gut, wenn die Lernenden mehr in den Blick kommen. Die Gefahr ist allerdings, dass wir uns wieder zu starkt auf die Technik, die zweifelohne hilfreich ist, konzentieren die den Lernenden zur Verfügung gestellt wird.
    Im Gegensatz zu meinem Vorkommentierenden Paul Kral stelle ich mir nicht die Frage wie sieht das Lernportal aus und welche Software wird verwendet, sondern wie sieht das Szenario aus das die Nutzung des Portals fördert, erleichtert.

    1. Ja, Herr Fischer, das wundert mich auch, dass wir eigentlich schon sehr lange aus den vielen reformpädagogischen Ansätzen wissen, wie Lernen besser zu unterstützen sei. Dennoch ist das Beharrungsvermögen bei den herkömmlichen Vorstellungen von „Lehren“ so groß. Aber ich habe derzeti ein wenig Hoffnung, dass sich da jetzt langsam etwas ändert, wie ja das eine Beispiel aus einem großen Konzern schon ermutigend zeigt.
      Ihrem Beitrag kann ich nur voll zustimmen.

  2. „Neue Lernmethoden, neue Wege Wissen zu vermitteln“. Was heißt hier neu ?
    Der Experte/die Expertin für sein/ihr Wissen (oder Unwissen) und für seine/ihre Fähigkeiten zu gezieltem (ungezieltem) und methodischem (unmethodischem) Vorgehen ist der/die Lern(willige) selbst. Ohne ausreichende intrinsische Motivation zum Weiterlernen geht ja bei Erwachsenen nicht viel. Der Lerner entscheidet was er lernt und was nicht. (Und vor allem in welchem Kontext er das angeeignete Wissen für sich mit welcher Perspektive er speichert).
    „Learning by doing“, „die Person in seiner Gruppe im Blick“, „ihm was zutrauen“ gibts spätestens seit 1907 (Baden-Powell) und funktioniert durchgehend seit über 100 Jahren. Dass sogar die Managertrainer solche Methodik in ihrem Portfolio haben erstaunt dann nicht.
    Ich denke, dass es gut ist, dass die Zielpersonen (die Lernenden) wieder mehr in den Blick kommen und damit die von den sogenannten, auch vielfach selbst ernannten, Experten ausgefeilten Methoden, in den Hintergrund gedrängt werden.
    Lernen ist ein Vorgang, der findet beim Lernenden statt. Experte ist der, der es schafft den Lernenden da zu unterstützen, wo er Unterstützungsbedarf hat.
    Also brauchen wir Unterstützer, also Personen die sehen können, wo bei den Lernenden Unterstützungbedarf ist und nicht immer feiner ausgeklügelte Vermittlungsmethodik von „Lehrmaterial“.
    Am besten wird dies im Bereich der Elternbildung deutlich. Da Eltern bis zur Grenze, wo da Kindeswohl gefährdet ist, autonom entscheiden können und dies auch tun hat „Lehren“ in diesem Bereich bisher kaum etwas bewirken können. Hier bewirken nur diejenigen was, die sehen können wo Unterstützungsbedarf ist und die erkennen können wie man bei Eltern intrinsische Motivation ausdehnt.
    Ich finde den Wandel vom Lehren weg zum lernen dann gut, wenn die Lernenden mehr in den Blick kommen. Die Gefahr ist allerdings, dass wir uns wieder zu starkt auf die Technik, die zweifelohne hilfreich ist, konzentieren die den Lernenden zur Verfügung gestellt wird.
    Im Gegensatz zu meinem Vorkommentierenden Paul Kral stelle ich mir nicht die Frage wie sieht das Lernportal aus und welche Software wird verwendet, sondern wie sieht das Szenario aus das die Nutzung des Portals fördert, erleichtert.

    1. Ja, Herr Fischer, das wundert mich auch, dass wir eigentlich schon sehr lange aus den vielen reformpädagogischen Ansätzen wissen, wie Lernen besser zu unterstützen sei. Dennoch ist das Beharrungsvermögen bei den herkömmlichen Vorstellungen von „Lehren“ so groß. Aber ich habe derzeti ein wenig Hoffnung, dass sich da jetzt langsam etwas ändert, wie ja das eine Beispiel aus einem großen Konzern schon ermutigend zeigt.
      Ihrem Beitrag kann ich nur voll zustimmen.

    1. Danke für die Rückmeldung Herr Kral.
      Welche Technik dahinter steht, haben wir nicht diskutiert. Ich gebe zu, ich bin auch froh darüber. Weil es oft so ist, dass man sich mehr über Tools und Technik austauscht, und nicht über die Absichten und Strategien, die dahinter stehen.

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