In meinem letzten Beitrag habe ich den Vergleich gewagt, dass das VHS-Halbjahresprogramm von der Entstehung bis zur Umsetzung schon eine Menge von BarCamp-Elementen enthält. Da das Lernen in BarCamps so intensiv, leicht und ganz anders von den „Teilgebern“ empfunden wird, macht es Sinn, nach Möglichkeiten zu suchen, die relevanten Kriterien zu identifizieren und mit unseren üblichen Lehr- und Lernsettings zu vergleichen. Eine kurze Beschreibung typischer BarCamp-Rahmenbedingungen und Wirkungen findet sich auch in dem oben erwähnten Beitrag. Möglicherweise lässt sich etwas davon übertragen.
Bildquelle: Cogneon Akademie CC BY SA
Betrachtet man BarCamps als Lernumgebung, dann lässt sich der gesamte Prozess, von der Sessionplanung bis zur Umsetzung mit einer typischen VHS-Lernumgebung vergleichen. Was beim BarCamp die meist 45 Minuten-Session ist, ist in diesem Vergleich der Kurs in der VHS. Dabei betrachten wir jetzt nur die Kurse die von den Kursleitern selbst gestaltet werden können. Sessions in BarCamps werden ebenfalls von den Session-Gestaltern vollkommen selbständig gestaltet. Hier der Versuch eines Vergleichs:
BarCamp-Prozess-Elemente
VHS Kursprogramm-Prozess-Elemente
Sessionplanung
Aufruf ans Plenum:
Wer möchte eine Session gestalten?
Etliche stehen auf und beschreiben ihren Session-Vorschlag in 3 Sätzen
Frage ans Plenum:
Wer hat daran Interesse? Nur bei genügend Interesse wird es zur Session. Das Plenum entscheidet.
Kursplanung (nur für Nicht-Curriculare Kurse, die Referenten frei gestalten können):
Aufruf in die Region: Wer möchte einen Kurs gestalten?
Einige Bürger beschreiben Kursthemen und bieten an, die Kurse zu halten.
Programmbereichsleitung entscheidet, ob Kurs ins Portfolio passt.
Wenn ja, wird es zum Kurs.
Sessionplan
Sessionzuordnung zu Raum und Zeit
Aushang an gut sichtbarer Stelle
Veröffentlichung auf Homepage
Angebot zur freien Auswahl an Tln
Kursplan
Kurszuordnung zu Raum und Zeit
Veröffentlichung im gedruckten Katalog
Veröffentlichung im Internet
Angebot zur freien Auswahl an Tln
Persönliche Agenda-Planung der Tln
Nur die einen selbst interessierenden Sessions werden gewählt
Tln können immer wählen
Persönliche Agenda-Planung der Tln
Nur die einen selbst interessierenden Kurse werden gewählt
Präsenz-Teilnehmer nur die, die sich als BarCamp-Teilnehmer registriert haben
Online-Teilnehmer auch ohne Registrierung von außen erlaubt und erwünscht
Kurs-Teilnehmer
I.d.R. nur Bürger aus der Region, die sich angemeldet haben
In Ausnahmen auch Online-Teilnahme, nur mit Anmeldung
Session-Besuch
Keine Anmeldung für die Session nötig, jeder kann Session besuchen, auch wenn’s übervoll ist.
Eine Anwesenheit wird nicht kontrolliert
Session kann jederzeit verlassen werden, wenn die eigenen Interessen damit nicht gedeckt werden, oder auch aus jedem anderen Grund
Auch nach Session-Beginn dürfen andere Sessions jederzeit besucht werden
Kurs-Besuch
Anmeldung für den Kurs ist nötig
Eine Anwesenheitsliste wird geführt
Tln können Kurse jederzeit verlassen, das tun sie auch
Tln dürfen stattdessen aber nicht in andere Kurse gehen
Session-Gestaltung / Ablauf
In Sessions kann sich jeder immer wieder entscheiden, sich selbst einzubringen, oder zuzuhören (Lehrender oder Lernender zu sein). Teilnehmerbeiträge machen den weitaus größten Teil der meisten Sessions aus.
Sessions werden mehr von den Teilnehmern gemeinsam gestaltet, und weniger vom Session-Gestalter. Der sorgt eher für den Einstieg ins Thema und regt dann die Auseinandersetzung aller damit an, und hält den Diskussionsprozess am Laufen
Tln nehmen aus Sessions mit vielen Tln-Beiträgen viele Perspektiven zu einem Thema mit, aus denen sie sich ihr eigenes Bild machen
Es gibt i.d.R. überhaupt keine Unterlagen oder Dokumente, die für den Lernprozess in der Session nötig wären.
Eine freiwillige Session-Dokmentation entsteht während der Session durch mehrere Tln gemeinsam in Etherpads.
Kurs-Gestaltung / Ablauf
Teilnehmerbeiträge sind nur an den Stellen erlaubt, an denen der Kursleiter das vorsieht.
Kursleiter versprechen im Kurz zu einem bestimmten Ziel zu kommen. Damit haben sie auch die Gestaltungshoheit.
Kursleiter gestalten Kurse, so wie sie sich das Erlernen ihres Themas optimal vorstellen, aus ihrer eigenen Perspektive.
Kursleiter planen Kursabläufe sehr präzise, aber selbständig
Teilnehmer werden angeleitet alle Schritte gemeinsam für einen gleichartig geplanten Lernprozess zu durchlaufen
Es gibt i.d.R eine umfangreiche Dokumentation als Kursunterlage.
Tln dokumentieren höchstens für sich selbst
Session-Ergebnisse
Sessions haben einen nicht vorhersehbaren Ausgang. Die Teilnehmer bestimmen mit ihren eigenen Beiträgen die Richtung und den Fortgang der Diskussion
Tln haben in Sessions die Möglichkeit die Diskussion auf die sie interessierenden Punkte zu bringen, und sind damit für den Erfolg der Session mitverantwortlich
Kurs-Ergebnisse
Das im Programm versprochene Ziel wird in der Regel vom Kursleiter gestaltend erreicht.
Ob die Teilnehmer auch ihr eigenes Ziel erreichen ist nicht sicher, und bleibt oft unklar.
Bei Nichterfolg machen Teilnehmer gern den Kursleiter oder die Organisation verantwortlich
Klima, Stimmung nach einem BarCamp
Entspannt, es könnte weitergehen
Freundlich, fröhlich
Zufrieden, Überrascht von so vielen Ideen und Anregungen
Viele neue Kontakte zu interessanten Leuten. Wie können wir in Verbindung bleiben?
Wann folgt das nächste BarCamp?
Klima, Stimmung nach einem Kurs
Endlich geschafft
War anstrengend, hat sich aber gelohnt
Brauch jetzt erstmal eine Pause
Nehme mir das Nacharbeiten vor
Was hier in der Tabelle nicht so richtig deutlich werden kann, aber ganz entscheidend ist, ist ein grundsätzlich nicht-hierarchisches Umgangsverständnis bei BarCamps. Jegliche inhaltliche Führung oder Anleitung wird zu Gunsten des Selbstorganisations-Prinzips vollständig aufgegeben. Die Rahmensetzung von Zeiteinhaltung bis Umgang wird dagegen extrem hart eingefordert.
Klassische Kurse sind von Natur aus hierarchische Lern-Settings: Der Kursleiter gibt nicht nur die Richtung, sondern auch alle inhaltlichen Schritte vor. Teilnehmer ordnen sich dem unter, lassen sich führen. Das ist ganz sicher für viele Themen und Zielgruppen ein hilfreiches Vorgehen. In BarCamps wird aber deutlich, dass ein anderes Umgangsverständnis – gleiche Augenhöhe und Vertrauen in vernünftiges Handeln aller Beteiligten, bis dahin nicht für möglich gehaltene Aktions-Energien der Teilnehmer frei setzt. Die könnten wir viel öfter nutzen.
Eine schöne und hilfreiche Zusammenstellung. Das führt mich zu der Frage: Wieviel barcamp passt in einen vhsKurs?
Ich hatte mal vorgeschlagen ein Blind-Wochenendkurs zu starten. Treffen 10 Uhr. Alle einigen sich auf ein Thema, verteilen die Rollen und los geht’s. Die Kursleitung wird nur für den Start benötigt. Sorgt im Verlauf dann eher für organisatorische Erfordernisse.
Gewinn für mich: Ich bin offen für Themen und neue Menschen.
Das hätte doch etwas davon, oder?
Danke für Deinen Kommentar, Joachim. Das was Du vorschlägst, wäre ja ein richtiges BarCamp. Das kann natürlich jede VHS anbieten, oder auch in Zusammenarbeit mit denen, die in der Region BarCamps organisieren. Das war aber gar nicht meine Absicht. Ich würde gern die positiven Wirkfaktoren aus der Lernumgebung BarCamp in die Lernumgebung Kurs übertragen. Und da sehe ich durchaus Möglichkeiten. Wenn zu einem Thema, zu dem sich Teilnehmer eingeschrieben haben, die Teilnehmer nach einer kurzen Einstimmung selbst aktiv diskutieren, sich gemeinsam um das Verstehen und Erarbeiten des Stoffes kümmern, Quellen suchen udn empfhelen, Aufgaben lösen, usw. Und das alles unter Begleitung eines „Community-Mangers“ für diese Kleingruppe (neue Bedeutung von Kursleiter)..
Eine schöne und hilfreiche Zusammenstellung. Das führt mich zu der Frage: Wieviel barcamp passt in einen vhsKurs?
Ich hatte mal vorgeschlagen ein Blind-Wochenendkurs zu starten. Treffen 10 Uhr. Alle einigen sich auf ein Thema, verteilen die Rollen und los geht’s. Die Kursleitung wird nur für den Start benötigt. Sorgt im Verlauf dann eher für organisatorische Erfordernisse.
Gewinn für mich: Ich bin offen für Themen und neue Menschen.
Das hätte doch etwas davon, oder?
Danke für Deinen Kommentar, Joachim. Das was Du vorschlägst, wäre ja ein richtiges BarCamp. Das kann natürlich jede VHS anbieten, oder auch in Zusammenarbeit mit denen, die in der Region BarCamps organisieren. Das war aber gar nicht meine Absicht. Ich würde gern die positiven Wirkfaktoren aus der Lernumgebung BarCamp in die Lernumgebung Kurs übertragen. Und da sehe ich durchaus Möglichkeiten. Wenn zu einem Thema, zu dem sich Teilnehmer eingeschrieben haben, die Teilnehmer nach einer kurzen Einstimmung selbst aktiv diskutieren, sich gemeinsam um das Verstehen und Erarbeiten des Stoffes kümmern, Quellen suchen udn empfhelen, Aufgaben lösen, usw. Und das alles unter Begleitung eines „Community-Mangers“ für diese Kleingruppe (neue Bedeutung von Kursleiter)..