Udemy Teil 2: Wachstum, Qualität und Dozenten als Unternehmer

Nach meinem Blogpost „Udemy senkt Kurspreise unter vhs-Niveau“  konnte ich ein ausführliches Skype-Gespräch mit dem in San Franzisco sitzenden Jan Belke, Head of Germany Market bei Udemy führen. Ich wollte mehr erfahren als auf der Homepage zu lesen ist.

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Über 100.000 Teilnehmer deutschsprachiger Kurse

Und das, obwohl deutsche Kurse erst seit 2 Jahren angeboten werden. Allein das Teilnehmer-Wachstum in 2015 beträgt mehr als 100%. Auch die Anzahl der deutschsprachigen Kurse steigt rasant. Waren es bei meiner Recherche vor 4 Wochen noch 451 deutschsprachige Kurse, so sind es heute schon über 500, und für Ende 2016 werden 1000 angepeilt!

Rasantes Wachstum auch weltweit

Jan Belke berichtet, dass er seit 2 Jahren dabei ist. Er war damals einer von 50 Mitarbeitern. Heute sind es 250. Weltweit kommen jeden Monat 1500 neue Kurse hinzu. In den USA ist Udemy bereits Marktführer bei Online-Kursen.

Ein BarCamp-ähnliches Modell?

Udemy bietet nur den Rahmen dafür, das Lernen voneinander möglich wird. Die Themen kommen ausschließlich von den Kurs-Gestaltern. Die Teilnehmer wählen die Themen, die sie persönlich für interessant halten. Nach diesem Prinzip funktionieren auch BarCamps: Morgens werden alle, die eine Session gestalten wollen gebeten, diese kurz vorzustellen und damit die Agenda zu füllen. Alle Teilnehmer besuchen dann nur die Sessions, die sie interessieren. Eine inhaltliche Steuerung übernimmt der Veranstalter von BarCamps nicht. Udemy verhält sich ebenso inhaltlich neutral.

Ähnlich, wie die Gestaltung von BarCamp-Sessions, die vollkommen den Session-Gestaltern überlassen wird, haben Udemy-Dozenten einen großen Freiraum bei der Gestaltung ihrer Kurse. Wenige Regeln nur müssen eingehalten werden, z.B. soll eine Lektion nicht länger als 20 Minuten dauern und ein Video nicht länger als 7 Minuten, Videos sollen mindestens 60% der Zeit ausmachen, Bild und Ton müssen einwandfrei sein, dann kann ein Kurs freigegeben werden. Ja, hier gibt es einen Unterschied: Udemy hat einen Freigabe-Prozess, den BarCamps nicht kennen. Der beschränkt sich aber auf formale Fragen. Bei der Themenvielfalt ist es für Udemy gar nicht möglich inhaltlich zu prüfen.

Udemy Dozenten

Qualität von Udemy-Kursen?

Ob ein Kurs gut ist oder nicht, das entscheiden letztlich die Teilnehmer, sagt Jan Belke. Jeder Teilnehmer wird aufgefordert den Kurs zu bewerten, um für andere und den Dozenten Hinweise zu geben. Und weil man die meisten Kurse ja bezahlt hat, gilt die 30 Tage-Garantie: Wer unzufrieden ist, bekommt sein Geld komplett zurück.

Um Dozenten auf ein gutes Kurs-Niveau zu bringen, gibt es natürlich auch einen kostenlosen Online-Kurs zur Kurserstellung. Außerdem gilt die dringende Empfehlung, sein Kurskonzept und erste Video-Lektionen auf der geschlossenen Facebook-Dozenten-Gruppe zu posten, um Rückmeldungen von anderen Dozenten zum eigenen Vorgehen zu bekommen. Das treibt die Qualität auch bei den bewährten Dozenten, weil die sehen, was andere jetzt gut machen, um dann ihre bestehenden Kurse zu überarbeiten, sagt Jan Belke. Jedes Land hat da seine eigene Dozenten-Community auf Facebook. In der deutschen Community tauschen sich bereits über 700 Dozenten aus.

Kursthemen und inhaltliche Gestaltung werden also dem „Markt“ überlassen. Dozenten müssen selbst prüfen, ob es sich lohnen wird, einen Kurs zu erstellen. Und Teilnehmer beurteilen öffentlich, ob sich der Kurs für sie gelohnt hat. Daran werden sich potentielle Teilnehmer wieder orientieren. Dozenten stehen auch im Wettbewerb mit anderen Dozenten, die ähnliche oder gar gleiche Themen auf der Udemy-Plattform anbieten. Qualität über Markt und Wettbewerb zu sichern, führt vermutlich sogar zu höherer Qualität als über den Abgleich mit gegebenen Regeln.

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Bild: Unsplash von Pixabay

Udemy-Dozenten als selbständige Unternehmer

Das wird insbesondere daran deutlich, dass jeder Dozent den Preis seines Kurses selbst festlegt. Von kostenlos bis zu maximal 300 € ging die Kurspreis-Range bisher. Jetzt hat Udemy im Einvernehmen mit den Dozenten die Preis-Range stark eingeschränkt: Zwischen 20 und 50 € dürfen Udemy-Kurse nur noch kosten. Daneben gibt es aber weiterhin kostenlose Kurse, wenn der Dozent das so will.

Der Grund für die drastische Absenkung der Höchstpreise waren riesige Rabatte, die Dozenten bei den teuren Kursen in der Vergangenheit gewährten. Online-Kurse sind offenbar für so hohe Preise nicht vermarktbar, deshalb jetzt reale Preise im niedrigen zweistelligen Bereich. Aber auch jetzt bestimmen Dozenten den Preis ihres Kurses selbst.

Um attraktiv für Dozenten zu sein, bietet Udemy nicht nur die Online-Plattform mit Kurserstellungs-Tools, sondern auch ein sehr faires Konzept der Einnahmen-Aufteilung: Dozenten, die Teilnehmer für ihre Kurse selbst beschaffen, dürfen 97% der Einnahmen behalten (3% Abzug wegen Kreditkarten-Gebühren). Für alle Teilnehmer, die Udemy angeworben hat, bekommt der Dozent 50% der Kursgebühren. Wer also vorhat, Online-Kurse anzubieten, der kann Udemy mit der gesamten Infrastruktur für seine eigenen Teilnehmer kostenlos nutzen. Zusätzlich verschafft ihm Udemy Einnahmen mit Teilnehmern, die er selbst nie erreicht hätte. Udemy gewinnt mit den vom Dozenten geworbenen Teilnehmern neue Kunden, die sicher später auch weitere Udemy-Kurse buchen.

10% aller Udemy-Kurse werden von Dozenten kostenlos angeboten. Dann erhebt Udemy auch keine Gebühren. Der Service für Dozenten und Teilnehmer ist aber der gleiche.

Udemy for Business

ist der nächste Entwicklungsschritt, der in den USA derzeit pilotiert wird. Die 1000 besten Kurse werden Unternehmen als Paket angeboten, mit einer anpassbaren White-Label-Plattform, auf der dann auch eigene Dozenten zusätzliche Kurse selbst gestalten können. Erst nach erfolgreichem Pilotabschluss in den USA wird Udemy for Business dann auch in andere Länder übertragen werden.

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Bild: allclear55 von Pixabay

Handlungskompetent mit Online-Kursen?

Bei dem offensichtlichen Erfolg mit diesen asynchronen Online-Kursen fragt man sich, was man wohl alles auf diese Art online lernen kann. Auch auf Youtube haben wir alle sicher schon Dinge gelernt, die wir uns vorher eigentlich nur mit Hilfe eines korrigierenden Lehrers vorstellen konnten. Bei diesen aufbereiteten Wissens-Konserven fehlt jede Rückmeldung eines Lehrers. Wie weit kommen wir also mit guter Einstimmung, gutem Erklären und Vormachen – ohne korrigierendes Feedback? Kann man nach so einem Kurs richtig handeln? Oder bleibt es beim theoretischen Wissen?

Das wird besonders interessant in Kursen, die man nur macht, um hinterher handeln zu können. Ein Instrument spielen können, oder kochen können, sind nur zwei Beispiele. Für Beides gibt es auch bei Udemy-Kurse hier und hier.

Gut gemachte Videos lassen es zu, dem Meister zuzuschauen, wie er es macht. Und wenn er dabei noch erklärt, wird Theorie verständlich und Praxis erlebbar. Man kann sich das noch einmal anschauen, vielleicht auch nur die ausgewählte Stelle, die noch unklar war. Und man kann nachmachen, und sich dann vergleichen mit dem Meister. Ob es dann genauso schmeckt (oder klingt) ist aber fraglich. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit groß, irgendwie nahe dran zu sein. Ein Orientierungs-Feedback bekommt man sicher auch: Beim gekochten Essen von anderen, ebenso beim Musizieren. Übung macht den Meister. Aber braucht man für das Feedback noch den Meister? Eine interessante Frage, die für mich noch offen ist. Jedenfalls stellen erfolgreiche Online-Kurse viele meiner bisherigen Urteile über Lehren und Lernen in Frage.

Ergänzung am 3.5.2016:
Lutz Grundmann verweist auf einen Artikel, der beschreibt, wie Udemy das schnelle Wachstum geschafft hat.

2 Gedanken zu „Udemy Teil 2: Wachstum, Qualität und Dozenten als Unternehmer“

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