Vorab: Ja, ich schätze BarCamps sehr, weil ich dort sehr viel lerne, und weil es Spaß macht „Teilgeber“ zu sein. In der letzten Woche habe ich zwei BarCamps (#CCB13 und #ECB13) als einfacher Teilgeber mitgestaltet, und erst vor gut einem Monat das CorporateLearningCamp (#CLC13) in der Veranstalter-Rolle. Deshalb liegt mir sehr an einem attraktiven und professionellen Image von BarCamps. Auch wenn BarCamps keinen Vier-Sterne-Hochglanz-Eindruck hinterlassen sollen, muss diese innovative Konferenzform auch die begeistern, die bisher mit klassischen Konferenzen zufrieden waren. Das ist die Masse, die es für einen Austausch auf gleicher Augenhöhe in Sessions zu gewinnen gilt. Nach nun schon jahrelanger BarCamp-Erfahrung in Deutschland, treffe ich immer noch die gleichen Zielgruppen, oft auch die gleichen Personen. Und einige BarCamps wirken auch auf mich sehr „handgestrickt“, so dass ich schon manchmal ganz froh war, wenn niemand aus meinem Netzwerk meiner Mitmach-Empfehlung gefolgt ist.
Für die Qualitätsbeurteilung bei BarCamps schlage ich die grundlegende Qualtitätsdefiniton vor: „Übereinstimmung zwischen Erwartung und Erfüllung“. Das ist eine ganz persönliche Beurteilung, individuell von jedem Teilgeber. Einfacher ausgedrückt ist es die Frage: Hat es sich gelohnt, zum BarCamp zu kommen?
Ob sich das Beteiligen an einem BarCamp lohnt, hängt natürlich von den Session-Themen, den Session-Gestaltern und den jeweils anwesenden Teilgebern ab. Auf den ersten Blick scheint ein BarCamp-Veranstalter darauf gar keinen Einfluss zu haben. Sind dann die erlebten Qualitäts-Unterschiede immer nur Zufall, weil gerade die passenden Teilgeber zusammengekommen sind?
Verantwortung der BarCamp-Veranstalter
Aus meiner Sicht ist das Anbieten eines BarCamps – genau wie das Anbieten einer klassischen Konferenz – ein Leistungs-Versprechen für das es sich als Teilnehmer lohnt, Zeit und Aufwand zu investieren. Man stelle sich nur vor, ein internes BarCamp soll in einer Firma stattfinden. Dann muss sich der Veranstalter ganz selbstverständlich für die eingesetzte Arbeitszeit aller Teilgeber verantworten. Das muss sich lohnen.
BarCamps leben als Un-Konferenzen von dem Gegensatz zu klassischen Konferenzen. Der Unterschied liegt aber ausschließlich in der inhaltlichen Gestaltung, die bei BarCamps selbstorganisiert durch die Teilgeber erfolgt. Der gesamte Teil der Veranstaltungsorganisation ist identisch zu klassischen Konferenzen, nur um Referenten braucht man sich nicht zu kümmern. Damit wird das Leistungs-Versprechen für BarCamp-Veranstalter schon erheblich schwieriger. Wenn inhaltlich gestaltender Einfluss direkt nicht mehr möglich ist, dann bekommen die verbleibenden Veranstalter-Aufgaben eine wesentlich höhere Bedeutung für die Qualitäts-Wirkung von BarCamps. So gesehen, könnte man gute BarCamp-Veranstalter als Benchmark für klassische Konferenz-Veranstalter hernehmen, bei denen man lernen kann, wie man – ohne inhaltlich gestalten zu können – die Rahmenbedingungen so optimiert, dass trotzdem eine gute Konferenz entsteht.
Das optimale Gestalten der Rahmenbedingungen und der Kommunikation sind die einzigen Hebel mit dem Veranstalter die BarCamp-Qualität beeinflussen können.
Kommunikation für optimale BarCamps
Mit gezielter Kommunikation müssen die relevanten Personen erreicht werden, die als Experten zum Mitmachen überzeugt werden sollen. Das beinhaltet heute dauerhafte Integration in bestehende relevante Communities und Aufbau und Pflege einer eigenen dauerhaften Community. Es genügt i.d.R. nicht, die Community nur einmal im Jahr zum Camp zusammenzuholen. Meine Beobachtung: Gut vernetzte Veranstalter haben meist auch lohnende BarCamps. Gut vernetzt bedeutet hier, auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichen Personen Kontakte zu pflegen. Das Selbstorganisations-Prinzip bei BarCamps lebt von Diversity. Es muss also gelingen, die richtigen – unterschiedlichen – Personen – als Teilgeber fürs Camp zu gewinnen. Mit der Teilgeber-Zusammensetzung können Veranstalter die Wahrscheinlichkeit lohnender Sessions beeinflussen. Wen man da gewinnt, hängt wiederum von Reputation und Glaubwürdigkeit des Veranstalters in der jeweiligen Szene ab. Vielleicht kann man das auch so ausdrücken: BarCamps sind Vernetzungs-Hubs, die dann interessant sind, wenn der Hub-Betreiber viele interessante Kontakte hat.
Gestaltung der Rahmenbedingungen während des BarCamps
Die kritische Auseinandersetzung mit der Gestaltung von lernanregenden Rahmenbedingungen steht auch stellvertretend für die Gestaltung der neuen Lern-Begleiter-Aufgabe von uns Learning Professionals. Deshalb ist die intensive Beschäftigung damit für uns sehr lohnend.
Im Wesentlichen beschränkt sich der Gestaltungsspielraum für Veranstalter eines BarCamps auf
- die gesamte Kommunikation vor, während und nach dem Camp
- die Einstimmung zu Beginn des BarCamps
- die zeitliche Gestaltung des Tagesablaufes
- die Bereitstellung und Vorbereitung geeigneter Räume / Umgebungen für Plenum und Sessions
- die Vorbereitung für die (selbstorganisierte) Dokumentation
- und Verpflegung und ggf. Abendevent
Da dies die einzigen vom Veranstalter beeinflussbaren Qualitäts-Parameter sind, wird klar, wie wichtig deren professionell optimierte Umsetzung ist.
Phasen | Veranstalter-Aufgaben, Absichten | Gedanken zur Verdeutlichung |
Einstimmung zu Beginn des Camps |
Unter all den Faktoren hat aus meiner Erfahrung die Einstimmung zu Beginn des BarCamps die größte Wirkung auf den weiteren „Konferenz“-Verlauf. Hier muss es gelingen
Mit der morgendlichen Einstimmung wird dem BarCamp so etwas wie die Seele gegeben. Genau das ist aber schwer in Worte zu fassen. Meine Vermutung nach vielen BarCamps: Es kommt wohl mehr auf Authentizität und Ausstrahlung der einstimmenden Person an, als auf Worte und Regeln. Irgendwie scheint es eine besondere innere Haltung zu erfordern, um so eine zeitlich befristete partizipative und hierarchiefreie Umgebung glaubwürdig zu schaffen. |
Es muss gelingen, für die Zeit des BarCamps eine unsichtbare Hülle um all die „Teilgeber“ zu schaffen.
In dieser Schutz-Hülle soll ein offener und gefahrloser Umgang auf gleicher Augenhöhe für alle spürbar werden. Meine Veranstalter-Rolle ist die eines Gastgebers, der für das Wohlergehen seiner Fest-Gäste sorgen will. Wie bei einem Fest auch, werden die Teilgeber den Inhalt der Gespräche bestimmen, und damit auch den Erfolg des Festes mitbestimmen. Ich schaffe den Rahmen für optimalen Austausch. |
Zeitliche Gestaltung des Tagesablaufes |
Auch wenn es eigenartig klingt, ein strenger zeitlicher Rahmen erhöht die Gestaltungsfreiheit für die Teilgeber. 45 Minuten Session und 15 Minuten Verteilpause sind aus meiner Erfahrung optimal für BarCamps mit ein oder zwei Tagen Dauer. Genau 45 Minuten, und nicht 50. Zwei Gründe gibt es dafür:
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Eine streng einzuhaltende Zeitstruktur wirkt orientierend und gliedernd in einer selbstorganisierten, nicht planbaren Diskussions-Umgebung. |
Vorbereitungen für Teilgeber in realen und virtuellen Räumen |
Jeder Trainer kennt den Einfluss von Räumen auf das Geschehen darin.
BarCamps sind relativ offene Veranstaltungen. Nicht nur, dass jeder real teilnehmen darf, auch virtuelle Teilnahme wird bei BarCamps oft ermöglicht.
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45 Minuten sind wenig Zeit. Ein schnelles Wohlfühlen im aufgeräumten Session-Raum erleichtert den Einstieg ins Thema.
Ein vorbereiteter Sessionraum drückt aus, dass man hier erwartet wird, wirkt einladend. |
Session-Dokumentation |
Auch hier: Unterschiedlichkeit zulassen! |
Vorbereitete Etherpads je Session werden einerseits als netter Service des Veranstalters wahrgenommen, andererseits wird die Wahrscheinlichkeit einer Session-Dokumentation wesentlich erhöht. Aus Lern-Gesichtspunkten erhöht das gemeinsame Schreiben auch die Lerner-Aktivität zum Thema |
Verpflegung / Abendevent |
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Ungezwungene nette Geprächs-Atmosphäre ist wichtiger als exzellentes Essen und ein Abendprogramm. |
Hat dies auf Klaus Burkard rebloggt und kommentierte:
Interessanter Artikel zu Barcamps von Karlheinz Pape.
Lieber Karlheinz,
vielen Dank auch von meinerseits für Deinen tollen Text.
Kann Deine Einschätzung für die überragende Rolle des Gastgebers bei BarCamps nur dicke unterstreichen. Gerade für die (zum Glück) immer häufiger anzutreffenden BarCamp-Neulige ist es so wichtig, eine emphatische Orientierung zu erhalten.
Und dann kommt es immer wieder auf die vermeintlichen Kleinigkeiten an. Menschen erinnern sich später bspw. vor allem, ob es ausreichend Kaffee gab und das der lecker war. Nicht zu unterschätzen für den Erfolg, die kleinen Details.
Lieber Karlheinz,
toller Text!
Vielen Dank für einen sehr guten Beitrag mit vielen lesenswerten Anregungen rund um das Thema BarCamp. Ich mag es ja sehr, wenn man beim Lesen aus dem Nicken nicht mehr herauskommt 😉
Danke für deinen Blogpost. Leider verkennen die meisten Barcamp-Organisatoren ihren wichtigen Einfluss auf die inhaltliche Qualität eines Barcamps. Dazu lieferst du einige wichtige Anregungen.
Der Punkt mit dem Mittagessen: Je nach Location kann es sich anbieten bewusst auf eine richtige Mittagspause zu verzichten. Das entstand beim Barcamp Ruhr mal zufällig, weil der Mittagsslot nicht als gesperrt markiert wurde. Meist hat man ohnehin mal einen Slot, wo einen nicht alle Themen brennend interessieren und nutzt diesen für die Pause. Vorteil: Die Schlange am Buffet verschwindet fast komplett. Die Mittagspause wird quasi auch in selbstorganisierend in die Zuständigkeit der Teilgeber übertragen.
Selbiges sehe ich auch für die Dokumentation: Die Eigenverantwortung stärken. Ich fände es viel besser, wenn viel mehr Leute bloggen würden und man das zentral verlinkt als Etherpad zu verwenden. Das schafft unnötige Abhängigkeit von einem Dienst und empfinde ich als zu starren Rahmen. Allerdings habe ich auch noch nicht die zündende Idee gehabt, wie man das wirklich gut fördern kann.
Sehr guter Beitrag,
vielen Dank dafür!
Der nette Kommentar einer so erfahrenen und bekannten Expertin zu Community-Mangement freut mch ganz besonders. Danke!
Ich finde den Beitrag sehr hilfreich. Vielen Dank dafür. Meine BarCamp Erfahrung ist noch recht überschaubar (u.a. #CLC13, #oer13de), doch ich merke, eine gute Orga und vor allem tolle Stimmung sind das A und O. Deine Zusammenfassung ist ein Leitfaden und hilft sicher gute BarCamps zu veranstalten.
Lieber Karlheinz,
ich teile Deine Ansichten, auch wenn ich technisch gesehen kein großer Fan von Etherpads bin. Ich habe bisher verschiedene Barcamps besucht und einige als Organisator mit ausgerichtet. Aus dieser Perspektive möchte ich noch einmal unterstreichen wie viel richtiges und lange Erfahrung in dem von Dir formulierten Beitrag steckt. Vielleicht kann es Teil einer Art Leitfaden für Orga-Neulinge sein. Ich glaube auch Alte Hasen würden vom Lesen dieses Beitrages profitieren. Vielen Dank für das Teilen dieser Gedanken/Ideen!
Ralf, Danke für Deinen netten Kommentar. Irgendwie sollten wir bei den EduCamps für das Weitergeben und Weiter-Entwicklen von Erfahrungen sorgen. Bei nun schon 11 oder 12 EduCamps müßten wir die absoluten Profis in der Ausrichtung von BarCamps sein. Wenn aber jeder als BarCamp-Organisations-Neuling wieder von vorn anfängt, ist das auch kein gutes Zeichen fürs Lernen von uns Learning Professionals.
@Karlheinz – das sehe ich alles ganz genau so, wie du und erkenne unser CommunityCamp in vielen Punkten wieder! Ich hoffe, dass wir deine Erwartungen an das #ccb zumindest aus Orgasicht noch lange erfüllen können. Allerdings möchte ich auch noch mal betonen – mit der Organisation können wir immer nur die Zelte aufstellen. Das Camp mit Leben füllen müssen die Teilnehmer selbst.
Frank, Danke für Deinen Kommentar. 2 Anmerkungen will ich doch noch machen: Das Zelte-Aufstellen ist die gleiche Aufgabe, wie bei einer klassischen Konferenz. Der Unterschied beginnt beim Schaffen des Zelt-Klimas, das die BarCamp-Erfahrenen und die Neulinge gleichermaßen begeistert und zum aktiven Mitmachen anregt. Da scheint mir das CCB auch eher ein Klassentreffen der erfahrenen Community-Manager, für die Ihr die Einstimmung und auch die Kommunikation gestaltet. Das CCB ist aus meiner Sicht aber für eine viel größere Zielgruppe interessant, von den Learning Professionals bis zu den Wissensmanagern in den Unternehmen.
Das Zelt-Aufstellen läßt sich sicher beim CCB am Anfang und am Ende noch optimieren: Die zentralen Botschaften sollten auch alle hören (und sehen) können.
Nun aber genug der Anregungen, das CCB13 war jedenfalls insgesamt wirklich großartig!