Lehr- und Lern-Material frei verfügbar, beliebig zusammenzustellen und vielfältig verteilbar: Der Traum eines jeden Trainers, nimmt doch die Erstellung der Kurs-Dokumentation noch immer einen großen Teil der Vorbereitungszeit in Anspruch. OER könnte die Lösung sein.
Im inspirierenden Ambiente der Berliner Kalkscheune – dort begann vor Jahren auch die re:publika – startete am 14. und 15.09.2013 die erste deutsche OER-Konferenz von Wikimedia Deutschland, dem Betreiber der deutschen Wikipedia, unter der Schirmherrschaft der deutschen UNESCO-Kommission. 300 TeilnehmerInnen kamen an beiden Tagen zusammen um sich über Möglichkeiten von Open Educational Resources zu informieren, und sich gegenseitig Mut zu machen, das noch kleine Pflänzchen freien Bildungs-Materials in Deutschland beim Wachsen zu unterstützen.
Wenn OER in Schule und Hochschule Sinn macht, dann müsste Corporate Learning auch von frei zugänglichem Lern-Content profitieren. Das war meine Motivation zum Besuch dieser Konferenz. Um es vorweg zu nehmen, so einfach, wie es klingt ist es leider nicht. Open Educational Resources, der Begriff erklärt nur wenig. Nicht jedes ohne Bezahlschranken verfügbare Lernmaterial ist OER. Ganz im Gegenteil, das meiste zugängliche Material darf gar nicht ohne die Zustimmung des Urhebers verwendet werden.
Auf der Konferenz war man sich einig, dass OER für jedermann frei zugänglich, von jedermann beliebig veränderbar, und mit anderen Inhalten neu zusammenstellbar sein müssen. Und das, ohne jeweils erst den Autor zu fragen. Das OPEN erfordert also eine sehr weite Auslegung, vom Zugang für alle bis zur beliebigen Bearbeitung. Wenn man sich OER-Material für Lehrende vorstellt, dann wird das sofort klar. Die Erstellung von Kurs-Content war schon immer ein Zusammenstellen von unterschiedlichen Inhalten für ein spezielles Ziel für eine bestimmte Zielgruppe. Unzählige Seminarunterlagen werden vollständig selbst geschrieben, weil das vorliegende Basis-Material urheberrechtlich geschützt ist, und die Verwertungsrechte erst mühsam eingeholt werden müssten. Wenn es Material gäbe, das von den Autoren zur vollständigen oder teilweisen Verwendung frei gegeben ist, dann wäre das Erstellen von Seminarunterlagen nur noch ein Zusammenstellen von ausgesuchtem vorhandenen Content, und wesentlich aufwandsärmer. Das spart deutlich Entwicklungs-Kosten.
Allein das wäre schon ein Anreiz für die Förderung der OER-Idee. Unternehmen und TrainerInnen profitieren schnell von vorhandenen relevanten OER. Nun funktioniert das Nehmen aber nur, wenn es auch Gebende gibt, die ihren erstellten Content im Netz verfügbar machen – und so kennzeichnen, dass die erteilte Nutzungserlaubnis leicht erkennbar ist. Das werden nur Trainer und Unternehmen machen, die sich nicht in erster Linie als „Wissens-Vermittler“ verstehen. „Kompetenz-Entwickler“ werden wenig Probleme mit dem Bereitstellen von selbst erstellten Inhalten haben. Inhalte dienen dort ja nur als begleitende Unterstützung bei der Ausprägung von Handlungskompetenz. Das Weitergeben dafür erstellter Unterlagen gefährdet dann nicht das eigene Geschäftsmodell. Die vorwiegend als „Wissens-Vermittler“ Tätigen werden künftig in ähnlich schwierige Situationen kommen, wie Verlage. Deren Geschäftsmodell mit aufbereiteten Inhalten bröckelt ja schon jetzt. Ein Erstarken der OER-Bewegung wird das noch verstärken. Mit aufbereitetem Content werden in Zukunft vermutlich nur noch wenige Geld verdienen – egal ob als Verlag oder als Trainer.
Es spricht also Einiges dafür, den OER-Fundus zu vergrößern, um von den Vorteilen zu profitieren. Dass die aufbereiteten Lehr-Inhalte auch nicht das Wichtigste in einem Studium sind, hat das MIT schon vor über 10 Jahren mit dem Start der kostenlosen Veröffentlichung seiner Vorlesungs-Videos bewiesen. Die teuren Studienplätze dort sind nach wie vor gut ausgebucht. Auch im Corporate Learning bilden aufbereitete Lerninhalte ganz selten den werthaltigen Kern eines Trainings. Teilnehmer-Unterlagen oder Präsentationen sind eher die hilfreiche Zugabe zur Auseinandersetzung mit dem Thema, mit den anderen Teilnehmern und mit dem Trainer. Die Freigabe der Seminar-Dokumentation wird auch hier kein Seminar überflüssig machen.
Ja, anderen wird es damit auch ein wenig erleichtert, so ein Training vorzubereiten – auch den Konkurrenten. Wenn der OER-Fundus aber gut gefüllt ist, dann hat jeder wieder die gleichen Vorteile – und alle sparen viel Aufwand. Der Einsatz von OER – und damit der Verzicht auf die aufwändige Inhaltsaufbereitung – schafft Freiraum für neue Lerner-Services, die Lernende bei ihrer Kompetenzentwicklung begleiten.
3 Gedanken zu „OER – Open Educational Ressources interessant fürs Corporate Learning? #OERde13“