Kostenlose Lernmodule von und für Unternehmen im Internet

Oder: OER für Product- und Business-Learning? 

Bildquelle: Geralt http://pixabay.com/de/kugel-silhouetten-m%C3%A4nner-schieben-93118/

Bildquelle: Geralt http://pixabay.com/de/kugel-silhouetten-m%C3%A4nner-schieben-93118/

Immer wieder mal stößt  man auf kostenfreies Lernmaterial aus Unternehmen. Wie viel davon gibt es eigentlich? Und wer darf es wie nutzen? Kann man das in eigene Curricula einbauen? Möglichst nichts noch einmal erstellen was schon da ist, ist eine wirtschaftlich gesunde Einstellung für alle, die Lernmodule planen und entwickeln.

Auch wenn wir uns auf Lern-Module beschränken, die für die Weiterbildung von Mitarbeitern in Unternehmen geeignet scheinen, fällt die Suche danach wirklich schwer. Es fehlt an geeigneten Kennzeichnungen dafür bisher. Beim Suchen trifft man zunächst auf die inzwischen unzähligen kostenlosen MOOCs, die aber meist von Hochschulen angeboten werden, dann findet man interessante kostenlose Lernmodule von Einzelpersonen, und zwischendurch immer wieder auch welche von Unternehmen, frei im Netz verfügbar. Auf die möchte ich hier die Aufmerksamkeit lenken. Vier unterschiedliche Beispiele:

Beispiel Krohne Academy online

Zunächst ist mir das freie Angebot von Webinaren zu Prozessmesstechnik der Krohne Academy  aufgefallen. Dort wird industrielle Messtechnik produktneutral erklärt – und das auch noch in verschiedenen Sprachen. Hier die Übersicht aus dem für jedermann zugänglichen Web-Katalog der Krohne Academy: 

Variable Area Flowmeters
Measurement Basics (ENDEFRCN)

Coriolis Mass Flowmeters
Measurement Basics (ENDEFRCN)

Vortex Flowmeters
Measurement Basics (ENDEFRCN)

Ultrasonic Flowmeters – Liquids
Measurement Basics (ENDECN)

Temperature Measurement
Industrial Temperature Measurement (ENDECN)

Pipeline Leak Detection
Basics of Leak Detection (ENDE)

Gas Measurement
Basics and Physics of Gases (ENDEFRCN) 

Für einen ersten Eindruck hab ich mir die Grundlagen der Temperaturmesstechnik angeschaut. Ein eigentlich trockenes Thema, aber so gut gemacht, dass ich bis zum Ende dabei geblieben bin. Das Modul – und ich vermute die anderen sind ähnlich gut gemacht – dürfte es vielen Trainern schwer machen, das besser zu erklären. Überhaupt werden sich Teilnehmer fragen, ob man für solche Erklärungen ins Präsenz-Seminar muss.

Natürlich tragen alle Folien das Krohne Logo. Auch ist es notwendig, sich mit Namen und Adresse anzumelden, bevor man den freien Zugang zu allen Lern-Modulen erhält. Professionell und selbstbewusst wirkt Krohne damit bei denen, die sich hier Wissen abholen. Das Unternehmen wünscht sich, dass auch Schulen und Hochschulen dieses Lernmaterial verwenden. Markenimage entsteht hier über aufbereitetes Wissen, das einmal produziert, sich dann von selbst verbreitet.

Zur Nutzung sagt Krohne: „Die KROHNE Academy online ist ein kostenfreies Angebot der KROHNE Messtechnik GmbH. KROHNE bietet den Teilnehmern web-basierte Lerninhalte für die nicht-kommerzielle Nutzung an.“

Dieser Satz schränkt eine Nutzung in anderen Unternehmen ein – z.B. als vorbereitendes Einstiegsmodul für Automatisierungstrainings. Dabei handelt es sich immer um eine kommerzielle Nutzung. Möglicherweise ist das so nicht gemeint. Jedenfalls müsste man zunächst die Genehmigung zur Nutzung einholen. Eine Hürde, die mit einer klaren CC-Lizenzangabe vermeidbar wäre.

Beispiel JUMO

JUMO ist auch ein Hersteller von Industriellen Prozess-Messsystemen. Frei zugänglich bietet JUMO 13 E-Learnings an, von denen 11 die Handhabung von JUMO-Produkten erläutern und 2 allgemein gültige Grundlagenthemen (Widerstandsthermometer/Thermoelemente und pH-Messung) erklären.

Hier das Beispielvideo „Widerstandsthermometer und Thermoelemente“ (10 Minuten Funktionsprinzip). Dort kann man auch direkt zu Stichworten navigieren, um sich z.B. nur den Teil „Klemmentemperatur“ anzueignen. Eine namentliche Anmeldung ist nicht erforderlich, jedes E-Learning-Modul kann von jedermann sofort gestartet werden.

Einen Hinweis zur erlaubten Verwendung habe ich allerdings nicht gefunden. Damit gilt das Urheberrecht, das eine Nutzung nur mit Genehmigung des Autors vorsieht. Auch hier würde eine klare CC-Lizenzangabe Klarheit schaffen und Nachfrage-Aufwand vermeiden.

Beispiel Grundfos

Grundfos ist ein Pumpenhersteller . Dort pflegt man die sogenannte Ecademy mit inzwischen 17 E-Learnings für die Zielgruppe Installateure und Heizungsbauer. Die Themen reichen von „Hocheffizienzpumpen“ bis „Trinkwassersicherheit“. Hier der aktuelle Lern-Modul-Katalog:

 
Grundfos Zeitreise
1000 Punkte
 
 
 
 
Grundlagen der Pumpentechnik
1000 Punkte
 
 
 
 
 
Die Hocheffizienzpumpe Grundfos ALPHA2
2000 Punkte
 
 
 
 
 
Eigenwasserversorgung mit Unterwassermotorpumpen SQ/SQE
2000 Punkte
 
 
 
 
 
Rückstausicherung in der Gebäudetechnik
2000 Punkte
 
 
 
 
 
Grundfos MAGNA – drehzahlgeregelte Hocheffizienz
3000 Punkte
 
 
 
 
 
Grundfos CM – noch nie war Größe so kompakt
3000 Punkte
 
 
 
 
 
Einsatzbedingungen für Heizungsumwälzpumpen
3000 Punkte
 
 
 
 
 
Energie- und Prozesskosten senken mit Grundfos E-Solutions
3000 Punkte
 
 
l
 
 
Hilge Steril- und Prozesspumpen für Food, Beverage & Pharma
2000 Punkte
 
 
 
 
 
Grundfos SOLOLIFT2
2000 Punkte
 
 
 
 
 
Die EuP-Richtlinie und EuP-konforme Pumpen und Motoren von Grundfos
3000 Punkte
 
 
 
 
 
Energiewende – Die neue Chance
2000 Punkte
 
 
 
 
 
Trinkwassersicherheit
4000 Punkte
 
 
 
 
 
Grundfos Norm- und Blockpumpen – Ein Konzept für 1001 Anwendungen
3000 Punkte
 
 
 
 
 
Die Wölfe kommen: Das Grundfos Projekt ‚RedWolf‘
2000 Punkte
 
 
 
 
 
MULTILIFT – Hebeanlagen für jede Anforderung
2000 Punkte

Ein wenig „Gamification“ reizt offenbar zum Weiterlernen: Das Erreichen bestimmter Punktstände berechtigt zur Auswahl kleiner Werbegeschenke. Auch hier kann jeder mitmachen, wenn er seine Adressdaten angibt.

Ein Erfolgsmodell, wie die Betreiber berichten: Mehrere tausend Teilnehmer lernen regelmäßig dort – auch (Noch-) Nicht-Kunden von Grundfos.

Ein sehr weit gehendes Beispiel bietet Gogneon

OER – Open Educational Ressources bereitstellen ist hier die Absicht. Jeder, der das Material nutzen möchte, kann das tun. Cogneon ist eine Wissensmanagement-Beratung, die praktisch ihr gesamtes aufgezeichnetes Wissen allen – Kunden und Nicht-Kunden – zur Verfügung stellt. Verrechnet wird immer nur die direkt persönlich erbrachte Leistung.

Im Cogneon Newsletter  heißt es dazu:
„Wir glauben fest daran, dass Offenheit auch für unsere Beratungs-, Coaching- und Schulungspraxis ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. In Anlehnung an Open Innovation, Open Access und Open Education nennen wir unseren Ansatz „Open Consulting“. Gemäß dem Tucholsky-Zitat „Wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein“ haben wir uns überlegt, welche Angebote wir offen und kostenlos bereitstellen möchten. Unser Ansatz sieht vor, so viel wie möglich Inhalte als Open Educational Resources (Creative Commons BY SA) verfügbar zu machen (z.B. Wiki, Folien, Bilder, Videos, Blogs, Management 2.0 Toolkit) und die Community Knowledge People kostenfrei zu betreiben. Die persönliche Interaktion in Beratungsprojekten, Coachings und Schulungen ist dagegen kostenpflichtig.“

Und auf der Homepage heißt es erklärend:
„Maßnahme zur Öffnung unserer Bildungsressourcen:
Im Bereich der Aus- und Weiterbildung gibt es aktuell den Trend hin zu sog. „Open Educational Resources“ (OER). Darunter sind Maßnahmen zu verstehen, innerhalb derer die Lehr- und Lernmaterialien eines Bildungsanbieters kostenfrei im Internet bereitgestellt werden. Bekannte Beispiele sind die MIT OpenCourseWare Initiative oder der Schulbuch-O-Mat.

Auch wenn das im Bereich von Beratungs- oder Coaching-Organisationen noch eher unüblich ist wollen wir im zweiten Quartal 2013 damit beginnnen, Materialien, die wir in Aus- und Weiterbildung zu Themen rund um Wissensmanagement, Wissensarbeit und Lernende Organisationen verwenden, frei zugänglich unter einer Creative-Commons-Lizenz bereitzustellen.“

Das gesamte Cogneon Wiki  steht unter Creativ Commons Lizenz CC BY SA. Es hat hat 916 Artikel. Es wurde 13.360 mal bearbeitet und bisher über 478.947 mal angesehen.

Fazit: Auch im Training geht es nur zu einem kleinen Teil um explizites Wissen

Cogneon gibt damit das bisher am weitesten gehende Beispiel, dass mir im Unternehmensumfeld bekannt ist. Wie das MIT stellt Cogneon damit unausgesprochen klar: Es ist nicht das explizite Wissen, das uns ausmacht. Das findet man auch woanders. Unsere Stärke ist unsere Erfahrung, unser Experten-Know-how, dass immer viel mehr ist, als der kleine Teil des explizit zu machenden Wissens.

Als das teure MIT etwa 2002 damit begann, die Vorlesungen zu filmen und kostenlos für alle ins Netz zu stellen, hieß es zur Erklärung: Wenn uns nur das Wissen ausmachen würde, bräuchten wir ja nur die Bibliothek zu öffnen.

Den gezeigten Beispielen lassen sich ganz sicher viele weitere hinzufügen. Vielleicht gelingt uns ja eine Auflistung aller von Unternehmen bereitgestellten kostenlosen Lern-Ressourcen. Weitere Beispiele sind willkommen!

„Was macht uns eigentlich aus?“ ist auch eine gute Leitfrage für alle Weiterbildungsorganisationen. Das Vermitteln von explizitem Wissen ist offensichtlich nicht der Schwerpunkt!

15 Gedanken zu „Kostenlose Lernmodule von und für Unternehmen im Internet“

  1. Schöne Übersicht, Karlheinz, und automatisch musste ich an die Swiss E-Learning Conference denken, die in diesem Jahr unter dem Motto Stand: Educate your Customer. Bis auf Cogneon treffen Deine gewählten Beispiele m. E. genau das Motto der #selc. Ähnliche Beispiele fanden sich dort. Cogneon hat meines Wissens aber einen ganz anderen Ansatz, denn dort ist u. a. „Bildung“ Gegenstand des Geschäfts des Unternehmens, also muss ein moderner Bildungsanbieter heutzutage schon per se OER im Portfolio führen.

    1. Danke Ellen für den netten Kommentar. Kennst Du noch ergänzende Links zu solchen Angeboten von andren Unternehmen, die sich z.B. auf der #selc präsentiert haben? Ich würde gern eine Auflistung der kostenlosen Lernangebote von Unternehmen für Unternehmen beginnen.

  2. Schöne Übersicht, Karlheinz, und automatisch musste ich an die Swiss E-Learning Conference denken, die in diesem Jahr unter dem Motto Stand: Educate your Customer. Bis auf Cogneon treffen Deine gewählten Beispiele m. E. genau das Motto der #selc. Ähnliche Beispiele fanden sich dort. Cogneon hat meines Wissens aber einen ganz anderen Ansatz, denn dort ist u. a. „Bildung“ Gegenstand des Geschäfts des Unternehmens, also muss ein moderner Bildungsanbieter heutzutage schon per se OER im Portfolio führen.

    1. Danke Ellen für den netten Kommentar. Kennst Du noch ergänzende Links zu solchen Angeboten von andren Unternehmen, die sich z.B. auf der #selc präsentiert haben? Ich würde gern eine Auflistung der kostenlosen Lernangebote von Unternehmen für Unternehmen beginnen.

  3. Hallo Karlheinz, das ist ein spannendes Thema und das sind interessante Beispiele, auf die Du verweist. Ich glaube auch, dass sie einzelnen Unternehmen an der Schnittstelle von Marketing und Kundenbindung einige Möglichkeiten bieten. Trotzdem einige Anmerkungen:

    a) Ich glaube, mit dem Fokus auf fachspezifische (offene) Lernmodule im Netz hast Du Dir das schwierigste Einsatzfeld ausgesucht. Kleine Zielgruppen, oft sehr spezielle Themen, wenige Beispiele. Und wenn es irgendwo Beispiele gibt: Wer kennt sie? Wie findet man sie? Wie können sie vernetzt oder integriert werden? Da sind freie CC-Lizensen ein fast untergeordneter Punkt …

    b) Warum also beim OER im Unternehmenskontext bei den fachspezifischen Inhalten und Themen beginnen? Warum nicht diese Unternehmen, ihre Mitarbeiter und Curricula mit den Open Courses zusammenbringen, die überall entstehen? Also allgemeineren Inhalten. Oder diese Ressourcen nutzen, um Mitarbeiter an den Schnittstellen des eigenen Fachgebiets (Stichworte: Innovation, Kreativität, Vernetzung, Geschäftsmodelle) voranzubringen? Dieser Fokus scheint mir derzeit vielversprechender.

    c) Wenn ich schon Angebote zur Temperaturmesstechnik offen machen will, warum sollte man heute Inhalte (Lernmodule) und nicht die Experten selbst vernetzten? Es erscheint doch viel effektiver, diese Ressourcen und Kompetenzen zusammenzubringen, als mich mit Online-Inhalten und allen damit zusammenhängenden Fragen (einige hast Du aufgezählt) auseinanderzusetzen. Über eine Vernetzung der Messtechniker in Gruppen und Communities (die es vielleicht schon irgendwo gibt …), kommt man dann auch zu den Lernmodulen und Lösungen, offline wie online.

    Gruß, Jochen

    1. Hallo Jochen, Danke für Deinen ausführlichen Kommentar. Ja, im Sinne von Kompetenz-Bildung wäre die Vernetzung der Experten der vielversprechendere Weg. Das allerdings ist derzeit noch sehr selten bei Produktherstellern zu sehen, und für Fachfremde kaum realisierbar. Das Offenlegen von vorhandenem Lern-Material ist ein leicht gangbarer Weg, wenn man mal die Denkhürde überwunden hat, dass wir beim Training von den wenigen explizit zu machenden Inhalten leben. Oder anders ausgedrückt, wenn wir das Können in den Vordergrund rücken, hat das explizite Wissen nur noch einen ganz kleinen (aber notwendigen) Stellenwert.
      All die Trainingsorganistionen, die das erkannt haben, legen keinen Wert auf nicht-kopierbare Papier-Unterlagen. Einige verschenken dieses aufbereitete Wissen sogar schon im Internet. Das könnte Schule machen. Deshalb interessiert es mich.

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