DGFP Congress 2019 – eine konstruktive Kritik

DGFP Congress 2019 Tag 1. Bild: KhPape CC BY

In einer Eventlocation am Berliner Westhafen, die ganz unaufdringlich darauf hinweist, dass das Güter-Hafen-Business hier anderen Transportwegen zum Opfer gefallen ist. „Disruption“ würde man heute dazu sagen. Ein passender Ort für die schwierige Situation vieler HR-Profis, die hier zum DGFP Congress am 3. und 4. September 2019 gekommen sind.

#connectingHR

war das Motto des Kongresses und offiziell verteilter Hashtag. Ja, ein gut funktionierendes WLAN gab es auch. Nur machten sich die allermeisten ihre Notizen auf Papier. Mobile Geräte waren nur vereinzelt zu sehen und mit dem Twitter-Hashtag schrieben gefühlt nicht mehr als 10 Leute, zeitweise nur einer bei dem so großen Kongress. War mit Connecting HR also nur das persönliche Zusammentreffen an den zwei Tagen gemeint?

In den Vorträgen ging es um Veränderungen im Geschäft, um neue Formen der Zusammenarbeit und die dafür nötige neue Rolle der Führungskräfte. Und dass es Menschen braucht, die sich selbst ermächtigen, Dinge einfach anders zu machen als bisher. Die dann für andere mutmachendes Beispiel sind. (Der Namensgeber des im Internet vielfach kursierenden Begriffs „Mutanfall“ saß sogar im Publikum: Harald Schirmer hatte nur eine kleine offizielle Rolle ganz unten und ganz hinten im Programm.)

Wenn doch eine neue Art Zusammenarbeit nötig ist, wenn Führung viel weniger vorgeben und mehr vertrauen muss, wenn es Mutige braucht, die mit Veränderungen einfach anfangen – in welche Richtung weist da ein Kongress, wo darüber nur geredet, und gar nichts von dem vorgelebt wird?

DGFP Congress 2019 – Bild: KhPape CC BY

Der DGFP Congress versinnbildlicht ja irgendwie die Zusammenarbeit der DGFP mit ihren Mitgliedern: Man arbeitet hier zwei Tage zusammen. Die Führung hat ganz klar die DGFP übernommen. Sie stellt die Agenda zusammen, sucht die Referenten aus und bittet alle Teilnehmer höflich ihre Rolle als Teilnehmer des vorbereiteten Programms einzunehmen. An einigen Stellen darf man aus dem Angebot sogar wählen. Und die Teilnehmer fügen sich auch in diese von der „Führung“ vorgegebene Rolle. Sie hören artig zu, und beginnen erst in den Pausen mit Gesprächen untereinander. Ja, so waren Konferenzen früher auch immer.

Das ist aus meiner Sicht das klassische Abbild der hierarchischen Arbeitsformen, die wir doch heute gerade überwinden wollen. Der Chef gibt an, was zu tun ist. Die Mitarbeiter sollen sich fügen. Aus den Vorträgen klang es aber deutlich: So werden wir die Zukunft nicht bewältigen.

Ein Kongress soll zukünftiges Handeln vorleben, erlebbar machen

Es geht in Unternehmen immer ums Umsetzen. Es reicht nie zu wissen, man muss machen können. Dafür braucht man Erfahrung. Die Erfahrung beim diesjährigen DGFP Congress lautet: Es geht doch ganz gut mit dem hierarchischen Prinzip. Damit hat der Kongress ja gut funktioniert.

Wäre nicht eine neue Erfahrung für alle Beteiligten viel hilfreicher?
Zum Beispiel

  • dass es wirklich funktioniert und hilfreich ist, wenn Teilnehmer mit eigenen Beiträgen Teile des Kongresses gestalten?
  • dass Teilnehmer, wann immer sie wählen können, das für sie persönlich Lehrreichste wählen.
  • dass es gar nicht schwer ist, und sogar Sinn macht, sein Wissen in sozialen Medien zu teilen, weil das im Kongress so selbstverständlich war.
  • dass es auch für den Veranstalter hilfreich ist, wahrzunehmen was Teilnehmer mit ihren Perspektiven einbringen.
  • dass es gut funktioniert und produktiv ist, auf gleicher Augenhöhe miteinander umzugehen.
  • dass sich Loslassen lohnt, obwohl das Zusammentreffen (die Zusammenarbeit) am Ende ganz anders gelaufen sein wird, als man das hätte planen können.
  • ….

Das heißt ja nicht, dass der Veranstalter nicht auch Themen mitbringen und zur Wahl stellen darf. Wichtig ist die Wahlmöglichkeit, damit man auch persönlich abwählen kann.

Allein schon damit würde so ein Kongress eine ganz andere Zusammenarbeit zwischen „Führung“ und „Teilnehmern“ erlebbar machen, eine neue Erfahrung vermitteln. Und damit zumindest Einigen Mut machen, den anderen Zusammenarbeits-Stil auch im eigenen Unternehmen mal zu probieren.

DGFP als vorbildlicher Vorreiter?

Ich wünschte mir die DGFP als die mutig voranschreitende „Führungsorganisation“ fürs Praktizieren neuer Formen der Zusammenarbeit. DGFP-Kongresse könnten erlebbare Experimentierfelder für Organisatoren und Teilnehmer sein – gerade heute. Das gilt natürlich für alle Kongresse – egal von wem sie veranstaltet werden. Kongresse sind immer Lern-Events, die nur dann glaubwürdig sind, wenn sie leben was sie inhaltlich transportieren.

DGFP Congress 2019 im Berliner Westhafen. Bild KhPape CC BY

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