vhsCampBeruf – Eine interne Fachkonferenz als BarCamp (#vcb13)

Volkshochschulen sind regionale Organisationen, meist von Gemeinden oder Landkreisen getragen, mit sehr unterschiedlicher Größe und inhaltlicher Ausrichtung. Diese eigenständigen VHS werden von Landesverbänden vertreten und koordinierend unterstützt, z.B. mit Konferenzen zum Austausch der regionalen Akteure in den verschiedenen Programmbereichen. So eine Konferenz für den Fachbereich Beruf stand für den Bayerischen Volkshochschulverband BVV  jetzt an – und lief ganz anders ab, als gewohnt.

Joachim Rattinger, Referent für den Programmbereich Beruf beim BVV, suchte nach einer anderen Form des Lernens und Austauschens, an Stelle einer üblichen Konferenz mit bestellten Referaten. Er entschied sich für das Un-Konferenz-Format BarCamp. Nur für VHS-Mitarbeiter, die dürfen aber gern auch von außerhalb Bayerns kommen, schließlich bringt ja bei einem BarCamp auch jeder eigenes Wissen ein. Warum also nicht auch lernen von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern, Österreich und der Schweiz.

50 Teilnehmer haben sich angemeldet für dieses für fast alle neue Experiment – nur eine Teilnehmerin hatte schon BarCamp-Erfahrung.  Am 19.2.2013 begann das vhsCampBeruf pünktlich um 10.00 Uhr mit einer kurzen Einstimmung zum Format. Begriffe wie „Gleiche Augenhöhe“, „Vielfalt von Perspektiven“ und „konsequente Selbststeuerung“ gehörten ebenso dazu, wie die ganz kurze Vorstellrunde, nur mit Namen, Organisation und max. 3 Stichworten, die jeden heute kennzeichnen.

Bis dahin war die Agenda nur ein leeres Raster mit Räumen und Zeiten an einer Pinwand. „Wer heute eine Session gestalten möchte, stellt die bitte hier vorn in 3 Sätzen vor“. Ein spannender Moment. Was ist, wenn jetzt keiner aufsteht? Zweifel verflogen ganz schnell, eine Schlange begann sich zu bilden. In den 45-Minuten Sessions kann jeweils ein Vortrag angeboten werden, eine Erfahrung diskutiert, oder auch ein Problem zur gemeinsamen Lösung angeboten werden. Das ergab dann insgesamt 10 Sessions, die in zwei Räumen parallel eingeplant wurden. Jeder hatte also zu jeder Stunde die Qual der Wahl, sich zwischen den 2 Sessions zu entscheiden. Und wie beim Selbstorganisationsformat BarCamp möglich, hat ein Session-Gestalter im Laufe des Tages seine Session einfach vorgezogen und in einen anderen freien Raum verlegt. Auch neue Sessions können im Laufe des Tages von den Teilnehmenden – oder besser „Teilgebenden“ – jederzeit auf der Agenda platziert werden.

Folgende Session-Themen wurden vorgeschlagen und bearbeitet:

  • Apple Mac & Co an VHS
  • VHS Online Produkte
  • Mehr formale Lern-Angebote an VHS
  • Massive Open Online Courses
  • Lerner Services ohne eigenen Lern-Content
  • Deutscher Qualifikationsrahmen ECVET
  • Nehmt den EDV-Raum dem Programmbereich Beruf weg!
  • VHS-Kooperationen – Tops und Flops
  • Kooperation der Programmbereiche Sprache und Beruf
  • Studieren an der VHS

Sessionplan vcb13Mich erstaunt immer wieder, wie schnell Menschen sich an diese bis dahin ungewohnte Konferenz-Situation anpassen können, und sich selbst aktiv einbringen, ob nun als Session-Gestalter oder als beitragender Session-Teilnehmer. Die Teilnehmeraktivität ist immer hoch bei BarCamps. Und wenn ein Session-Gestalter nur Folien-zeigen will, beginnt die Diskussion meist früh und ungeplant. Es scheint ein menschliches Bedürfnis zu sein, mitzureden und mitgestalten zu wollen. Wenn nur der Rahmen das zulässt, entfaltet sich aktive Beteiligung offensichtlich von selbst.  Und aktive Beteiligung ist ja eigentlich auch das Ziel aller didaktischen Anstrengungen. Hier wird das erreicht, allein durch Weglassen von sonst üblichen einschränkenden Regeln und Gewohnheiten.

In allen Organisationen ist jeder mal Lehrender und mal Lernender

Noch ein Aspekt wurde auch bei diesem vhsCampBeruf schön deutlich: Jeder ist mal Lehrender und mal Lernender. Die Rollen wechseln ständig. Mal ist man Session-‚Geber, mal Session-Teilnehmer – mal ist man in der Session Zuhörer, mal teilt man Anderen seine Erkenntnisse mit. Selbst Session-Gestalter nehmen aus ihrer Session meist mehr mit als sie eingebracht haben. Von welcher anderen Konferenz kann das schon sagen? BarCamps leben von der Kompetenz und den Interessen der Teilnehmer. Die bringen erstaunlich viel Expertise ein und steuern auch noch die Inhalte in die für sie passende Richtung. Das hätte kein Veranstalter so passend planen können. Loslassen und den Teilnehmer zutrauen, das selbst zu gestalten – das fällt wohl jedem Veranstalter schwer – erst recht bei internen Konferenzen.

Am Ende gab es nur positive Aussagen der Teilgebenden, wie „Ich hab noch nie so viel gelernt, wie heute.“ Und auch „Ich bin noch hellwach. Bei normalen Konferenzen bin ich das um die Zeit nicht mehr.“ Auch der Veranstalter, Joachim Rattinger war von dem Erfolg überrascht. Das war vermutlich nicht die letzte VHS-Konferenz als BarCamp.

Trotzdem nachdenkliche Minen am Ende: Wenn doch so viel gelernt wurde, ohne dass es eine didaktische Vorbereitung gab – was machen wir da in unseren Kursen falsch?

 

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