Lerner Services – Thema der GIZ Sommerakademie 2012

Ich bin gerade mit dem Abschluss eines sehr spannenden Events beschäftigt, der Sommerakademie 2012 der Akademie für internationale Zusammenarbeit  bei der GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit). Unter dem Titel „Lernen beflügeln“ trafen sich 140 Teilnehmer in Bad Honnef um sich 2 Tage lang neue Wege zur Unterstützung von Lernenden zu erschließen.

5 sogenannte Ressource-Personen (Prof. Rolf Arnold, Dr. Marion Keil, Prof. Wolf Rainer Leenen, Philipp Schmidt und ich) sollten den teilnehmenden TrainerInnen und Akademie-MitarbeiterInnen Anlässe zur persönlichen Auseinandersetzung mit ihrer Rolle als Unterstützer für Lernende geben.

Mein Thema hatte ich überschrieben mit „Lerner Services“. Gemeint sind Dienstleistungen, die Lernende wählen können zum leichteren Erarbeiten von Wissen oder Können. Das klingt noch ein wenig ungewohnt. Doch so neu ist das gar nicht, nur haben wir die Lerner-Unterstützung bisher fast immer stark mit der Inhaltsvermittlung verknüpft. Die Art und Weise der Inhalts-Aufbereitung enthielt ja meist schon viel von dem Anspruch es den Lernenden möglichst leicht zu machen. Inhaltsvermittlung und Lerner-Unterstützung ist damit zu einer nicht mehr unterscheidbaren Gesamtheit geworden.

Die Tendenz zu immer mehr gut aufbereitetem Lernmaterial im Internet, stellt jeden Lehrenden früher oder später vor die Frage, ob die Vermittlung des Inhalts nicht viel besser schon von Anderen aufbereitet und im Netz bereitgestellt wurde. Unzählige Beispiele gibt es schon heute dafür, hier seien nur 3 der bekannteren Quellen genannt:

  • KhanAcademy.org mit 3200 Lektionen für Schüler
  • OCWConsortium.org mit 21.000 Universitäts-Vorlesungen
  • Allison.com mit 360 Kursen für berufstätige Erwachsene, und 1 Million Lerner.

Tatsächlich ist die Vielzahl der kostenlosen Inhaltsaufbereitungen fürs Lernen im Internet schon unübersichtlich groß. Ich wage die Prognose, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis Unternehmen auch das nötige Produktwissen für ihre Produkte, wie z.B. für Industrie-Steuerungen, als gut aufbereitete E-Learnings kostenlos ins Netz stellen werden. Schließlich ist es ein Produkt-Verkaufsvorteil, wenn das Wissen für die komplexen Produkte jederzeit kostenlos verfügbar ist.

Wenn aber die Inhaltsvermittlung außerhalb von Seminaren und Trainings stattfindet, dann ist das Vermitteln nicht mehr Aufgabe des Trainers. Von „Lehren“ können wir dann auch nicht mehr sprechen. Aber was ist dann die Rolle der ehemals Lehrenden? Wenn wir uns nicht mehr um die Inhaltsvermittlung kümmern müssen, bleibt ja endlich Zeit für die eigentliche Aufgabe, Lernenden beim selbständigen Erarbeiten zu helfen.

Genau das haben wir uns in 3 sehr aktiven Workshops während der GIZ-Sommerakademie erarbeitet. Da kamen eine Menge guter Ideen für Lerner Dienstleistungen zusammen. Die neue Rolle eines Lern-Coaches, der solche Services anbietet ist gut vergleichbar mit der eines erfahrenen Bergführers. Lernende möchten einen bestimmten Gipfel zum ersten Mal bezwingen. Sie können einfach losgehen und das allein ohne fremde Hilfe versuchen. Gut möglich, dass unerwartete Schwierigkeiten auftreten, die Umwege oder die Umkehr erzwingen. Wer es also schneller oder leichter zum Gipfel schaffen will, kann sich unterschiedliche Leistungen eines Bergführers aussuchen.
Das

  • kann eine Beratung vor dem Losgehen sein, mit Hinweisen auf Gefahrenstellen und Ausrüstungstipps
  • kann das Aufzeigen von verschiedenen Wegen sein, auf denen andere erfolgreich zum Gipfel kamen
  • können Hinweise zu wichtigen Service-Stationen unterwegs sein
  • kann das Kontakt-Herstellen zu anderen Berg-Besteigern sein
  • könnten regelmäßige Unterstützungs- oder Sicherheits-Anrufe sein
  • kann aber auch persönliche Begleitung für schwierige Wegstrecken sein
  • könnte auch die Bestätigung des Erreichens des richtigen Gipfels sein.

In diesem Bild wird sehr schön klar, dass Lernende den Berg immer selber hochgehen müssen. Dieses Selbst-Erarbeiten kann ihnen niemand abnehmen. Eine Begleitung auf dem Weg kann aber sehr hilfreich sein, Zeit sparen und Umwege vermeiden helfen. Und dem autonomen Lerner sollte es auch überlassen werden, an welcher Stelle er welche Unterstützung buchen will. Das wird vermutlich sehr unterschiedliche Unterstützungs-Bedarfe bei verschiedenen Menschen geben.

Hier eine kleine Auswahl konkreter Lerner Services:

  • Bestimmung des persönlich passenden Zieles
  • Auswahl und Angebot empfehlenswerter Wege des Erarbeitens (Mehrere anbieten)
  • Vorauswahl und Zusammenstellen geeigneten Lernmaterials für das Thema (Alternativen anbieten)
  • Bilden und Pflegen von Lerner Communities
  • Kontakte zu Experten und Experten-Communities vermitteln
  • Im Prozess Feedback-Gelegenheiten anbieten (entweder mit Lern-Coach oder noch besser mit Experten)
  • „Trigger-Services“ (regelmäßige Online-Termine für Statusberichte von Lernenden)
  • Bei inhaltlichen Schwierigkeiten den Fach-Coach anbieten
  • Am Ende die Zielerreichung bestätigen

Dass solche Services ohne Inhaltsvermittlung machbar sind, haben wir im Labor-Workshop eindrucksvoll erleben können. Das setzt autonom Lernende voraus. Aber eigentlich sind Lernende schon immer autonom. Auch in klassischen Lehr-Settings konstruiert jeder Lernende das für ihn passende Wissen auf seine eigene Weise und nur den Teil davon, den er oder sie für wichtig hält – auch wenn wir Lehrende uns bemühen, unsere Vorstellungen eines passenden Lernprozesses vorzugeben.

„Test-Lernende“, die im Labor-Workshop der Sommerakademie von jeweils 2 Lern-Coaches in einem auf nur 2 Stunden verkürzten Prozess zu echten eigenen Herausforderungen beraten wurden, waren angenehm überrascht über die vielen Hinweise für ihre eigene  Lernweg-Gestaltung.

Hier eine kleine Auswahl der Antworten:

  • Hatte mein Ziel vorher nicht so konkret und greifbar vor Augen
  • Haben gemeinsam den Weg zum Ziel erkundet, der Weg war mir vorher nicht so klar
  • Mein Ziel kann auf ganz anderen Wegen erreicht werden – und sogar schneller
  • Habe mit Lernbegleitern Wegstrecken definiert, und Methoden dafür festgelegt
  • Total praktische Tipps erhalten – und so simpel!
  • Die nie gestellte Frage „Was ist eigentlich für mich wichtig“ steht jetzt an
  • War erstaunt, dass man meinen Weg auch aus ganz anderen Perspektiven sehen kann
  • Für viele Dinge habe ich selbst eine Antwort, die mir aber erst im Dialog bewusst wird
  • Lernbegleiter stellten Fragen, auf die ich nie gekommen wäre

Auf die Frage an die Lern-Coaches, ob es Ihnen schwer gefallen sei, ohne Fachkenntnisse zum Thema der Lernenden, Vorschläge für deren Vorgehen zu definieren, gab es zwei Arten von Antworten:

  • Es sei sogar ganz gut, nichts vom Thema zu verstehen, weil man sich sonst von seinen eigenen fachlichen Vorstellungen leiten lässt, und damit wieder nahe an der alten Lehrerrolle ist.
  • Aber auch: Fachwissen ist nötig,  schon um die Auswahl hilfreicher Lernmaterialen, Experten, sowie Experten-Communites vorzuschlagen.

Die insgesamt drei Workshops zum Thema „Lerner Services“ bei der GIZ Sommerakademie 2012 waren ein sehr ermutigender Anfang für diese neue Idee von „Lehren ohne Inhaltsvermittlung“. Wobei „Lehren“ hier ein nicht mehr passender Begriff ist. Bis wir einen neuen dafür haben, sprechen wir von „Lerner Services“.

 

 

11 Gedanken zu „Lerner Services – Thema der GIZ Sommerakademie 2012“

  1. Toller Beitrag! Danke! Solche Veranstaltungen müssten als Standard in der Lehrerfortbildung angeboten werden und die Grundlinie müsste die Lehrerausbildung insgesamt strukturieren.

  2. Toller Beitrag! Danke! Solche Veranstaltungen müssten als Standard in der Lehrerfortbildung angeboten werden und die Grundlinie müsste die Lehrerausbildung insgesamt strukturieren.

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