Entwicklungstrend von Lern-Dienstleistungen

MOOC (Massive Open Online Courses), Virtual Classroom, Flipped Classroom, Konnektivismus als Lerntheorie – das alles sind sichtbare Angriffe auf bisherige „Geschäftsmodelle“ etablierter Bildungs- und Weiterbildungs-Organisationen. Einerseits entwickeln sich Lern-Dienstleistungen – so können wir Entwicklungs-Angebote für Lernende auch verstehen – durch Skalierung in wirtschaftlich sehr attraktive Bereiche. Auch wenn MOOC heute meist noch nichts kosten, wird ein künftig möglicher Niedrig-Preis von z.B. 60 € je Kurs bei 10.000 Teilnehmern einen Umsatz von 600.000 € je Kurs bringen. So viel hat bisher noch kein Bildungsanbieter für nur einen Kurs eingenommen. Und selbst bei möglicherweise hohen Erstellungskosten von 300.000 € bliebe ein wirtschaftliches Traum-Ergebnis. xMOOC nennt man die Variante des massenhaften Online-Verteilens von aufbereiteten Inhalten und Lernaufgaben.

Bild: Universität Bonn von Thomas Wolf, www.foto-tw.de.

Bild: Universität Bonn von Thomas Wolf, www.foto-tw.de.

Andererseits ist mit dem Konnektivismus und den cMOOC (c für Connectivism) eine Sicht auf Lernen entstanden, die die Lernenden als autonome Lerner versteht, die wenig Anleitung brauchen, eher Anregung. Obwohl das gar nicht so neu ist – in reformpädagogischen Ansätzen gibt es so ein Lerner-Bild schon lange – zeigt diese innere Haltung als Lern-Dienstleister heute einige, auch wirtschaftliche Vorteile. cMOOC sind ja die ersten Umsetzungen des Konnetivismus, der davon ausgeht, das Wissen liegt im Netzwerk, und Lernen ist die Fähigkeit, Verbindungen in diesem Netzwerk zu knüpfen. Folgerichtig wird ein cMOOC vom Veranstalter nicht als Inhalts-Darbietungs-Event geplant. Vielmehr geht es darum, die Aufmerksamkeit aller Interessierten für den Kurszeitraum auf das ausgeschriebene Thema zu fokussieren und dabei eine Community-Bildung zu fördern. Nur wenige anregende Inputs kommen von den Veranstaltern, die meisten Inhalte tragen die Lernenden selbst zusammen oder erzeugen diese im Austausch untereinander. Hier kommt es aufs Klima in den entstehenden Communities an, und ums Sichtbarmachen von Communities, dort entstandenen Inhalten und Beitragenden, und nicht auf die Erreichung von bestimmten inhaltlichen Veranstalter-Zielen. Mit dem Zutrauen, dass die Lernenden sich schon die für sie richtigen Themen vornehmen werden, ist das Ergebnis für Veranstalter eines cMOOC nicht mehr planbar. Autonome Lerner wissen selbst, was sie wann lernen wollen oder müssen. Lern-Dienstleistungen auf Konnektivismus-Basis gestalten also die Rahmenbedingungen für Lernen in Communities und nicht die Lern-Inhalte und Lern-Aufgaben!

Beide Ansätze haben ihre Berechtigung. Beide benötigen viele Teilnehmer. Dann aber sind sie auch wirtschaftlich interessant, insbesondere wenn geringe Teilnahme-Gebühren üblich geworden sind. Und das betrifft dann jede Bildungsinstitution, auch die, die gar keine MOOC anbieten: Teilnehmerströme werden dadurch umgeleitet. 1000 Teilnehmer eines MOOC sind 1000 Teilnehmer, die sonst in 65 Kursen unterrichtet worden wären. Neben den MOOC gibt es weitere Bedrohungen klassischer Classroom-Seminare, z.B. Virtual Classroom und Flipped Classroom.

Zwei Antriebe scheinen derzeit die Bildungs-Szene unabhängig voneinander zu bewegen: Die weitere wirtschaftliche Optimierung (niedrigere Kosten je Tln) und die Annahme autonomerer Lerner, die ihre Lernprozesse selber am besten gestalten. Grafisch dargestellt ergibt sich folgendes Bild:


Selbstgesteuert Lernen ist gar nicht so ungewöhnlich. 80 bis 95% des betrieblichen Lernens erfolgt informell und damit selbstgesteuert. Damit sind wir eigentlich alle Meister im selbstgesteuerten Lernen!

Dass der Trend in Richtung Selbststeuerung auch beim Lernen gehen wird, verbunden mit dem Wunsch nach preislich günstigerer „Entwicklungs-Unterstützung“, scheint mir sicher. Erstens weil sich der Trend in anderen Dienstleistungsbereichen auch schon durchgesetzt hat: Die Reiseverbindung mit der Bahn suchen sich die meisten auch lieber selbst aus, nur noch wenige lassen sich die am Schalter gegen einen Aufpreis raussuchen. Und die Selbstbedienung im Laden wird von den meisten auch als angenehmer empfunden, als bei jedem Teil die Beratung eines Verkäufers zu bekommen. Vielleicht sprechen wir schon bald ganz selbstverständlich von Selbstbedienungs-Lern-Dienstleistern. Irgendwie bieten die MOOC ja schon heute solch ein Angebot. Wir müssten dafür nur nicht die Drop-outs registrieren, sondern die Drop-ins.

Mein Fazit:

Lern-Dienstleistungen werden zu individuell wählbaren Services, die sich Lerner nach eigenem Bedarf selbst zusammenstellen. Pauschal-Services (all inclusive) werden ebenso zur Wahl stehen, wie „Entwicklungs-Begleit-Services“, wöchentliche „Trigger-Services“ (Sie wollten doch bis heute …) und „Zielerreichungs-Bestätigungs-Services“. Mit Inhalts-Aufbereitungen und -Darstellungen werden nur noch wenige Lern-Dienstleister Geld verdienen. Wie in anderen Branchen auch, werden nur einige mit ihren Angeboten die Lerner-Mengen erreichen, die notwendig sind um preislich mithalten zu können.

Ein wenig beruhigend: Jahrzehntelang haben wir Lerner so an klassische Lernsettings gewöhnt, dass die meisten noch etwas Zeit brauchen werden, bevor sie merken, dass selbstgesteuertes Lernen sehr angenehm ist.

23 Gedanken zu „Entwicklungstrend von Lern-Dienstleistungen“

  1. Hallo Karlheinz, ein sehr interessanter Artikel. Meine Überlegung:
    Selbstgesteuertes Lernen erfordert aber auch in der Regel lerngewohnte Teilnehmer/innen. Ich glaube ein mooc würde die Teilnehmer/innen die als „bildungsfern“ bezeichnet werden , die mit Lernen nur schulische und häufig auch keine Lernerfahrungen assoziieren, sicher überfordern.

    1. Hallo Amelie, das ist ja gerade die Chance für künfitge Lern-Dienstleister. Sie könten unterschiedliche Lern-Begleit-Services fürs Einarbeiten in ein Thema anbieten. Die Inhalte sind davo unabhängig, könnten also aus einem MOOC stammen oder auch aus anderen Quellen. Übrigens auch die Auswahl aus den vielen Quellen ist ein Lerner-Service.

  2. Hallo Karlheinz, ein sehr interessanter Artikel. Meine Überlegung:
    Selbstgesteuertes Lernen erfordert aber auch in der Regel lerngewohnte Teilnehmer/innen. Ich glaube ein mooc würde die Teilnehmer/innen die als „bildungsfern“ bezeichnet werden , die mit Lernen nur schulische und häufig auch keine Lernerfahrungen assoziieren, sicher überfordern.

    1. Hallo Amelie, das ist ja gerade die Chance für künfitge Lern-Dienstleister. Sie könten unterschiedliche Lern-Begleit-Services fürs Einarbeiten in ein Thema anbieten. Die Inhalte sind davo unabhängig, könnten also aus einem MOOC stammen oder auch aus anderen Quellen. Übrigens auch die Auswahl aus den vielen Quellen ist ein Lerner-Service.

  3. Ich frage mich gerade: Gibt es Parallelen in der Community Bildung bei einem MOOC mit der Regionalität eines VHS Kurses? Beides bietet eine Gruppe, in der und mit der ich eine zeitlang lernen werde. Wenn alles gut läuft, halte ich Kontakt zu meinen Mitlernern und wir begleiten uns noch eine zeitlang im Lernen und im Leben (was ich nicht von einander trennen kann).

    Doch wie sehr ist das Virtuelle im Vorteil? Auch wenn ich das Internet schätze und die Möglichkeiten, die es mir bietet liebe, merke ich immer wieder, wie wichtig mir das Lokale und Greifbare als Ausgleich wird.

    Ich habe bei den MOOCs am längsten durchgehalten, in denen ich eine kleinen Lerngruppe zugehört habe. Mitlernern mit denen ich persönlichen Austausch hatte mit einer Moderatorin, die mir Fragen beantworten konnte. Persönlich brauche ich das Flexible, zeitlich und örtlich ungebundene Format aber auch die Lerngruppe, die mich fordert, mich mitzieht, mich berät und auch meine Perspektive erweitert.

    Wie können Lern-Dienstleister das zusammenbringen?

    1. Hallo Nina, ich denke, Du beshreibst ja schon einen der Services, den Lernende wählen können: Den realen Community-Treffpunkt in der Region, das regionale Community-Building, das regionale Community-Management. Wichtig wäre mir dabei nur, das Lernende selbst auswählen, was sie für hilfreich halten. Das erfordert wieder große Teilnehmerzahlen, wenn nicht jeder die reale Lerngruppe wählt. Sonst kommt die nicht zustande. Und vielleicht sollten wir die Trennung zwischen real und virtuell nicht immer so hervorheben. Gerade bei Communities kann man die Kommunikation so gestalten, wie es am besten geht. Wenn in der Region nicht genügend zusammenkommen, dann bleibt man eben virtuell im Kontakt.

  4. Ich frage mich gerade: Gibt es Parallelen in der Community Bildung bei einem MOOC mit der Regionalität eines VHS Kurses? Beides bietet eine Gruppe, in der und mit der ich eine zeitlang lernen werde. Wenn alles gut läuft, halte ich Kontakt zu meinen Mitlernern und wir begleiten uns noch eine zeitlang im Lernen und im Leben (was ich nicht von einander trennen kann).

    Doch wie sehr ist das Virtuelle im Vorteil? Auch wenn ich das Internet schätze und die Möglichkeiten, die es mir bietet liebe, merke ich immer wieder, wie wichtig mir das Lokale und Greifbare als Ausgleich wird.

    Ich habe bei den MOOCs am längsten durchgehalten, in denen ich eine kleinen Lerngruppe zugehört habe. Mitlernern mit denen ich persönlichen Austausch hatte mit einer Moderatorin, die mir Fragen beantworten konnte. Persönlich brauche ich das Flexible, zeitlich und örtlich ungebundene Format aber auch die Lerngruppe, die mich fordert, mich mitzieht, mich berät und auch meine Perspektive erweitert.

    Wie können Lern-Dienstleister das zusammenbringen?

    1. Hallo Nina, ich denke, Du beshreibst ja schon einen der Services, den Lernende wählen können: Den realen Community-Treffpunkt in der Region, das regionale Community-Building, das regionale Community-Management. Wichtig wäre mir dabei nur, das Lernende selbst auswählen, was sie für hilfreich halten. Das erfordert wieder große Teilnehmerzahlen, wenn nicht jeder die reale Lerngruppe wählt. Sonst kommt die nicht zustande. Und vielleicht sollten wir die Trennung zwischen real und virtuell nicht immer so hervorheben. Gerade bei Communities kann man die Kommunikation so gestalten, wie es am besten geht. Wenn in der Region nicht genügend zusammenkommen, dann bleibt man eben virtuell im Kontakt.

  5. Bei dem letzten Absatz könnte man anfügen: In Deutschland oder in Europa. Im englischsprachigen Raum ist es bereits viel selbstverständlicher, sich selbstorganisiert durch kostenpflichtige, verhältnismäßig günstige Angebote zu wühlen und für seine akute Online-Weiterbildung zu zahlen.

    Das bedeutet im Umkehrschluss für einzelne Expert_innen einen grossen Vorteil: Sie können sich relativ problemlos neue freiberufliche Spielbeine aufbauen. Jede_r ist ja bekanntlich Expert_in in irgendwas. Dies ermöglicht ganz neue Öffnungsprozesse in der Bildung – die Crowd dringt als Bildungsmob in alte, klassisch geprägte, verstaubte Regionen vor.

    Wie man selbst an diesen Punkt kommt, ein Angebot aufzusetzen, genau darum geht’s in meinem öffentlichen, (zunächst kostenfreien) Take Action-Parcours: http://takeaction.ununi.tv

  6. Bei dem letzten Absatz könnte man anfügen: In Deutschland oder in Europa. Im englischsprachigen Raum ist es bereits viel selbstverständlicher, sich selbstorganisiert durch kostenpflichtige, verhältnismäßig günstige Angebote zu wühlen und für seine akute Online-Weiterbildung zu zahlen.

    Das bedeutet im Umkehrschluss für einzelne Expert_innen einen grossen Vorteil: Sie können sich relativ problemlos neue freiberufliche Spielbeine aufbauen. Jede_r ist ja bekanntlich Expert_in in irgendwas. Dies ermöglicht ganz neue Öffnungsprozesse in der Bildung – die Crowd dringt als Bildungsmob in alte, klassisch geprägte, verstaubte Regionen vor.

    Wie man selbst an diesen Punkt kommt, ein Angebot aufzusetzen, genau darum geht’s in meinem öffentlichen, (zunächst kostenfreien) Take Action-Parcours: http://takeaction.ununi.tv

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