E-Portfolios als Reiseberichte durch eine Themen-Landschaft?

Das Fachforum E-Portfolio an der Goethe-Universität Frankfurt, wie immer professionell moderiert von Claudia Bremer, ist als Erfahrungsaustausch-Forum für Hochschulen angelegt. Entsprechend großräumig war die Resonanz: Hochschulvertreter aus ganz Deutschland kamen zusammen. 8 sehr unterschiedliche E-Portfolio-Ansätze wurden dargestellt. Man sammelt noch Erfahrung und versucht die Idee E-Portfolio innerhalb der bestehenden Hochschulstrukturen in Lehrveranstaltungen anzuwenden. Es braucht also Überzeugte, die in dem Massen-Lehrbetrieb Hochschule einzelne Dozenten zum Mitmachen gewinnen. Gleichzeitig verstößt das gegen die Lerngewohnheiten vieler Studenten, weshalb bei freiwilligen Portfolio-Angeboten nur etwa die Hälfte der Studierenden mitmacht. Wohl die Hälfte, die ohnehin zu den Leistungsstärkeren gehört, wie ein Referent beobachtete.

Prof. Dr. Rose Vogel von der Universität Frankfurt M, hat die Schnecke als Symbol für das entschleunigte E-Portfolio-Lernen vorgestellt. Das ist beabsichtigt, ebenso wie die Intensivierung des Lernens über die im E-Portfolio geforderte reflexive Auseinandersetzung mit dem Lernstoff. Wohl eher Zufall war die Häufung von E-Portfolio-Beispielen  für pädagogische Studiengänge – in anderen Fachbereichen wird ebenfalls mit E-Portfolios experimentiert. Nur in einem vorgestellten Beispiel war das E-Portfolio prüfungsrelevant, sonst diente es noch eher als gut gemeinte Empfehlung für strukturierteres Lernen. Insbesondere in der Weiterbildung wird von Widerstand der Lernenden berichtet, die in der Führung von E-Portfolios einen Mehraufwand sehen, der ihnen nicht hilfreich erscheint für das Bestehen der Klausuren.

Ich bin dankbar für diesen wertvollen Überblick der vielen E-Portfolio-Experimente. Nachdenklich sitze ich jetzt in der Bahn mit dem Gefühl, E-Portolios müssten eine andere, viel zentralere Bedeutung fürs Lernen haben. Nichts Zusätzliches, eher etwas Ersetzendes. Mir ist klar, dass die Umstellung schwer ist, gelten doch die universitären Rahmenbedingungen weiter von Prüfungsordnung bis Einzelleistungsnachweis. Wie könnte Lernen mit E-Portfolios aussehen, wenn man sich diese Bedingungen anders denkt?

Könnten E-Portfolios so etwas sein, wie eine zu erstellende Landkarte für ein dem Lerner noch unbekanntes Gebiet? Und wenn diese Landkarte nachvollziehbar gefüllt ist, kann das Ergebnis bestätigt werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass dieses Gebiet von keinem Lerner komplett erkundet werden kann, man schafft immer nur einen Weg durch das schwierige Gelände. Und der nächste Lerner findet wahrscheinlich einen ganz anderen Weg. Auch gut. Bei anwachsendem Wissen, ist ja auch heute schon eine Auswahl nötig, nur trifft die jetzt der Lehrende.

Also E-Portfolios als individueller Reisebericht / Reiseführer durch eine thematische Landschaft? Das könnte ich mir gut vorstellen. Das müsste dem Lerner auch Spaß machen. Und den „Lehrenden“ – hier besser „Lernbegleitenden“ – könnten dadurch möglicherweise auch selbst neue Gebiete im Themenfeld erschlossen werden. Solche „Lernbegleiter“ müssten geeignete „Gelände“ zur Erforschung zuweisen, und eher den Erkundungsprozess als das Erkundungsergebnis beurteilen. Gute Lernbegleiter freuen sich über möglichst viele unterschiedliche Geländeerkundungen ihrer Studierenden.

Portfolios – das E- ist dafür nicht zwingend – könnten wirklich ganz anderes Lernen unterstützen. Vielleicht kommen wir damit der uralten Erkenntnis von Galileo Galilei wieder näher: „Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken“.

6 Gedanken zu „E-Portfolios als Reiseberichte durch eine Themen-Landschaft?“

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  3. Vielen Dank für Ihren Bericht! Ich teile Ihre Auffassung: E-Portfolios haben wirklich das Potenzial ein ganz anderes Lernen zu unterstützen. Es wird Aufgabe der Lehrenden sein, die E-Portfolio-Arbeit didaktisch so in ihre Lehrveranstaltungen einzubinden, dass die Chancen und Potenziale für die Lernenden erfahrbar werden. Ein sehr gutes Beispiel dafür hat Ilona Buchem vor einiger Zeit veröffentlicht: http://www.slideshare.net/ibuchem/eportfolio-didaktik.

    Einen sehr schönen Überblick zur E-Portfolio-Arbeit bietet auch die aktuelle Ausgabe der zeitschrift für e-learning http://www.e-learning-zeitschrift.org/03_2011/. Besonders interessant fand ich die Darstellung des Einsatzes von E-Portfolios in der Aus- und Weiterbildung von österreichischen Lehrerinnen. Das E-Portfolio wird dort bereits zu Beginn der Studiums als Lernportfolio eingesetzt, während des Berufseinstiegs als Reflexionsportfolio, um den Berufseinstieg zu begleiten, und schließlich als umfassendes Präsentationsportfolio, das die Kompetenzen der Lehrperson widerspiegelt.

    1. Danke für den Kommentar und die beiden hilfreichen Links. Mich faszniert an der Portfolio-Idee – wenn sie konsequent umgesetzt wird – dass sich damit die Perspektive ganz klar ändert: Lernen ist damit ausschließlich Lerner-zentriert. Es geht nicht mehr um „Lehre“, sondern eindeutig um „Lernen“, das natürlich erleichtert und unterstützt werden darf. Lern-Unterstützung wohl eher als Angebot, das der Lerner wählen kann. Und es geht um Feedback – ohne das Lernen kaum möglich sein wird. Nur kann das Feedback im Verlauf der Portfolio-Entwicklung aus vielen Quellen kommen, nicht nur von den bisher „Lehrenden“.

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